Leni Tornquist in der Küche mit sieben Sesseln an der Theke –  dem Zentrum der Wohnung.
Wohngeschichte

Grazer Stadthaus: Jugendstil trifft Gucci-Tapete

Interieur-Expertin Leni Tornquist wohnte schon als Mädchen in dem 1910 erbauten Haus – und schuf, einen Stock tiefer, nach ihrer Hochzeit ihr eigenes „Familienzuhause“.

Bei den Tornquists kommt selten Langeweile auf. Das Familienleben spielt sich rund um den Grazer Stadtpark ab: Leni Tornquist, Inhaberin einer Werbeagentur, lebt mit ihrem Mann Martin, einem Radiologen, den vier Jungs Rio 15, Romeo 13, Eero 6, Aurel 3 sowie Baby Fee im Zentrum von Graz. „Das Haus hat für mich Geschichte: Hier bin ich aufgewachsen, mit meinen Brüdern. Und davor schon drei weitere Generationen.“ Das Familienhaus mit kleinem, verstecktem Stadtbalkon und Blick auf Altbauten und Bäume wurde 1910 erbaut. „In einer späten Phase des Jugendstils“, erklärt Tornquist. „Weshalb wir neben Deckenstuck auch einen recht ,modernen' Grundriss haben, bei dem man von einem Raum direkt in den nächsten kommt.“

Das Flair der 1930er-Jahre


Kurz vor ihrer Hochzeit ist sie ins Haus zurückgezogen – einen Stock tiefer als zuvor, in die Räume einer Frau, an die sie schöne Kindheitserinnerungen hat. „In der Wohnung lebte eine Dame allein auf 200 m2, sie hatte ein ,Biedermeierzimmer‘, ein Zimmer für den Klavierflügel, eine Bibliothek und ein Erkerzimmer, in dem wir als Kinder zu Weihnachten den Christbaum bewunderten.“ Die Wohnung war in einem Zustand aus den 1930er-Jahren. „Wunderschön, aber eben ganz anders konzipiert.“

Stillleben auf der Anrichte.
Stillleben auf der Anrichte.Barbier

Heute befindet sich in den ehemals steifen Repräsentationsräumen das helle Esszimmer, wo sich einiges abspielt. „Das Erkerzimmer in drei Richtungen öffnen zu können sowie den enorm großzügigen Vorraum, das wollten wir unbedingt beibehalten.“ Das große Vorzimmer ist der ideale Ort für die Jüngeren, um sich mit Dreirad und Roller auszutoben.

Blick auf den großen Esstisch.
Blick auf den großen Esstisch.Barbier

Die Küche wurde in den vordersten Raum der Wohnung verlegt. „Die Einkaufssäcke, den Müll und das Essen aus der Küche immer quer durch die Wohnung tragen zu müssen erschien mir besonders unpraktisch. Das Leben einer Großfamilie spielt sich schließlich großteils in der Küche ab.“ Hier wird getratscht, gezeichnet, werden Aufgaben gemacht, während Mama, Papa oder die großen Geschwister kochen.

Home-Office und Teenie-Zone


Zu den ursprünglichen 200 m2 kamen im letzten Sommer noch 110 m2 dazu. „Wir konnten zur Nachbarwohnung hin öffnen und unseren beiden Teenagern ein eigenes Bad und Toilette ermöglichen“, erzählt Tornquist.
Sie selbst richtete sich nach Jahren im Nomaden-Home-Office ein eigenes Büro ein. „Ich bin froh, dass meine Materialien, Bücher, Notizen nun an einem fixen Ort sind und mein Ladekabel nicht mehr ständig verschwindet.“

Blumen sind zu jeder Jahreszeit ein wichtiger Schmuck.
Blumen sind zu jeder Jahreszeit ein wichtiger Schmuck.Barbier

Ihr Mann, der in den zwei letzten Jahren, als die Fitness-Studios oft geschlossen waren, im Zimmer des ältesten Sohnes trainierte, konnte sich den Traum eines Fitnessraums verwirklichen. Die Wahl der Möbel zeigt ihre Inspirationsquellen und Vorlieben – skandinavisches Design (auch aus Verbundenheit mit ihren Vorfahren) wird gern mit Gucci-Tapeten und Vintage-Fundstücken gemixt. Hell, freundlich und pastellig muss es sein – auch frische Blumen, die sie in der ganzen Wohnung verteilt, sind zu jeder Jahreszeit zu sehen.
Wichtig war es Leni und Martin Tornquist auch, dass beim Umbau mit der alten Substanz sensibel umgegangen wird. Alle Originalböden wurden beibehalten, der alte Holzboden etwa wurde von Lenis Vater selbst behutsam restauriert. Eine Herausforderung, aber „es macht mir immer große Freude, etwas Altes in neuem Glanz zu sehen“. Ihr Lieblingsplatz zum Entspannen ist beim Klavier unter dem Fenster, mit freiem Blick auf die großen Bäume. Doch meist ist sie in der sonnendurchfluteten Küche mit den sieben Sitzplätzen an der Kücheninsel zu finden, „dem Sammelpunkt unseres Familienlebens“.

Zum Ort, zur Person

Der Grazer Stadtpark im Zentrum der mit 291.134 Personen zweitgrößten Stadt Österreichs wurde 1870 angelegt, heute wurzeln hier rund 2000 Bäume, darunter auch botanische Raritäten.
Gebrauchte Eigentumswohnungen kosten in Graz in guter bis sehr guter Lage durchschnittlich 2500 bis 3100 Euro/m2, neues Eigentum in ähnlicher Wertigkeit ab rund 3000 Euro/m2 .
Leni Tornquist ist Inhaberin einer Werbeagentur und führt mit einer Freundin den Internet-Shop La Boum Atelier.

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