Wohngeschichte

Designen, mixen und reparieren: Wohnen in der Biedermeier-Oase in Wien Neubau

Barbier
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Die Designer Jasmin (Stoffe) und Johannes Nemetz (Sound) leben und arbeiten in der Bernardgasse im siebten Wiener Bezirk – mit 1950er-Möbeln, Lilienporzellan und einer kleinen Sauna. Und viel Geschichte.

Wie wohnt man, wenn man kreativ und gerne zu Hause ist? Die Designer Jasmin und Johannes Nemetz haben sich in der Wiener Bernardgasse eingerichtet: 1862 benannt nach dem Fabrikanten und Maler Franz Alois Bernard (1791–1851). „Die Häuser hier stammen fast durchgehend aus der Biedermeier- und Gründerzeit“, erzählt Jasmin Nemetz. Die Gasse wird daher gern für Filmaufnahmen genutzt – Touristen ist das Kleinod aber ebenso selten bekannt wie vielen Wienern.

Designen, mixen, reparieren

Auch den beiden ist sie quasi passiert: Johannes bezog die 100m2 große Dachgeschoßwohnung mit Terrasse vor acht Jahren, weil seine Wohnung im dritten Bezirk wegen neuer Nachbarn sehr laut wurde, Jasmin wohnte davor im zweiten Bezirk. „Wir haben uns vor allem für die Wohnung entschieden, weil die Gasse besonders entzückend ist und einen Charakter bietet, den man eher am Stadtrand vermuten würde.“

»"Wir haben uns vor allem für die Wohnung entschieden, weil die Gasse besonders entzückend ist und einen Charakter bietet, den man eher am Stadtrand vermuten würde."«

Apropos Stadtrand: Vor dem Schleifen des Linienwalls um 1880/90 endete hier bei Nr. 34 die Straße – und auch die Vorstadt Schottenfeld. „Wir profitieren sehr von den guten Lokalen um uns herum. Nicht nur in Neubau, sondern auch in den angrenzenden Bezirken Josefstadt und Ottakring mit dem belebten Yppenplatz.“ Dass das dreistöckige Haus in einem sehr guten Zustand, die Wohnung hochwertig ausgebaut und bezugsfertig war, war natürlich auch viel wert.

Das helle, zeitlose und schlichte Mobiliar der beiden ist ein Konglomerat aus ihren alten Wohnungen: modern, ein Hauch 1950er-Flair, ein bisschen Antikes. Stilbrüche sind willkommen. Das Ecksofa mit Daybed-Funktion am Fenster ist von Cubit, die Küche von DAN, dazwischen tauchen immer wieder Teile von Jasmins Kunstsammlung und Johannes Schallplattensammlung auf. Die Sessel am langen Esstisch aus Holz stammen zum Teil von Verlassenschaften, Antiquitätenläden und Vintageshops, die Beistelltische und der Couchtisch kommen aus dem Familienbesitz. Fast alle Lampen, Tische, Blumentische sind ein bunter Mix aus den 1950er-Jahren. Nur beim Geschirr werden keine Stilbrüche toleriert; bei den Nemetz kommt ausnahmslos Lilienporzellan auf den Tisch. „Das sind keine Dekostücke, bei uns wird daraus tagtäglich gegessen.“

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HO mit Sauna auf dem Dach

»"Wir haben uns eine kleine Sauna angeschafft, die auf der Terrasse steht."«

Überflüssiges wurde bewusst weggelassen, alles hat seine Funktion und seinen festen Platz und wird von beiden geschätzt. „Im Fall des Falles wird auch repariert.” Polsterbezüge und Vorhänge aus bedruckten Stoffen sind von Jasmins hauseigenem Label Jasata, die Einbauschränke vom Tischler, das Plattenregal von Ikea. Kunst ist im Lauf der Reisen von überall auf der Welt zusammengetragen worden. Das Wohnen, aber auch die Umgebung, inspiriert beide tagtäglich bei ihrer kreativen Tätigkeit.

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„Vor Corona sind wir regelmäßig in die Sauna gegangen. Das hat uns dann sehr gefehlt, und wir haben uns eine kleine Sauna angeschafft, die auf der Terrasse steht.“ Johannes Nemetz – Teil des Schallplattenlabels Edition Hawara, das sich auf die Neuveröffentlichung von österreichischer Jazz-, Soul- und Funk-Musik der 1970er und 1980er spezialisiert hat – arbeitet größtenteils von zu Hause aus und hat sich ein Arbeitszimmer eingerichtet. Er betreibt auch das Unternehmen Mooddesigner, das Lösungen für Hintergrundmusik für Handel, Hotellerie und Gastronomie bietet.

„Wir sind beide sehr gern zu Hause“, erzählt er. „Deshalb ist es uns sehr wichtig, dass die Wohnung gemütlich ist.“ Jasmin hat kürzlich ein kleines Geschäft mit Werkstatt in Wien Josefstadt eröffnet. Und somit ihre Arbeitswelt vom Wohnen getrennt. Viel Zeit haben die beiden mit der Wahl des neuen Sofas verbracht, da es sowohl einen Lese- als auch einen Rückzugsort bieten sollte.

Hoffnung auf Wohnstraße

Einen Nachteil hat die Wohnung allerdings: Fast alle Räume sind straßenseitig. Doch „bereits letztes Jahr wurde von einer Bewohnerin der Gasse eine erfolgreiche Petition durchgeführt. Der Bezirk hat eine Bürgerbeteiligungsphase gestartet“, erzählt Nemetz. Mit großem Konsens unter den Bewohnern. So soll es nach dem Umbau keine Parkplätze in der Gasse geben, dafür Begrünung und Bäume.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2023)

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