Leitartikel

Ein Schwarzer, der auch türkis kann

Nehammer vereint quasi das „Beste aus beiden Welten“ in der ÖVP.
Nehammer vereint quasi das „Beste aus beiden Welten“ in der ÖVP.(c) APA/ERWIN SCHERIAU
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Die Volkspartei gibt ihrem neuen Obmann, Karl Nehammer, volle Unterstützung – die Schonfrist wird aber nicht allzu lang anhalten.

Ein Wahlergebnis von 100 Prozent kommt nicht so oft vor, auch nicht in der Volkspartei, die ihre Obmänner traditionell mit hohem Vertrauensvotum ausstattet. Selbst Sebastian Kurz, dank seiner Wahlerfolge der unumstrittenste ÖVP-Chef seit Langem, musste sich im Vorjahr mit 99,44 Prozent zufriedengeben.

Heißt das, dass Karl Nehammer der bessere Parteichef ist? Oder zumindest der parteiintern beliebtere? Wohl nicht. In Wirklichkeit ist den ÖVP-Funktionären bewusst geworden, dass sich die Partei in eine äußerst ernste Situation manövriert hat. Die Korruptionsvorwürfe, die im Handy von Thomas Schmid ihr Epizentrum haben und nun auch in der Peripherie, in Vorarlberg, aufgeschlagen sind, sind existenzbedrohend, weil sie imagemäßig einen Negativtrend ausgelöst haben. Und der ist nur ganz schwer zu stoppen.

Volle Unterstützung für den neuen Parteichef: Das ist das, was die Funktionäre jetzt beitragen können und am Parteitag in Graz auch gemacht haben. Dafür stellen sie auch hohe Erwartungen an die Führung. Und es ist nicht viel Zeit für eine Trendumkehr. Denn schon nächstes Jahr finden vier Landtagswahlen statt, und die sind für eine föderal strukturierte Partei fast wichtiger als die Wahl im Bund. Mit einer sozialdemokratischen Bundeskanzlerin kann ein ÖVP-Landeshauptmann zur Not leben. Der eigene Posten darf aber nicht in Gefahr kommen. Da sind dann die 100 Prozent am Parteitag plötzlich auch nichts mehr wert.

Kann Karl Nehammer das Steuer so rasch herumreißen? Das wird schwer, ist aber auch nicht unmöglich. Nehammer vereint quasi das „Beste aus beiden Welten“ in der ÖVP. Er ist als ÖAAB-Funktionär im schwarzen Bündesystem groß geworden. Und er war in der türkisen ÖVP zwar nicht in der Kernmannschaft, die vom Kanzleramt aus die Regierung dirigiert hat, aber doch nah dran am Machtzentrum rund um Sebastian Kurz. Immerhin hat er als ÖVP-Generalsekretär den erfolgreichen Nationalratswahlkampf 2019 gemanagt und wurde mit dem Innenministerposten belohnt.

Wobei: Nehammer wirkt doch ein bisschen mehr wie ein Schwarzer denn wie ein Türkiser. Man merkt, er kann Inszenierung, aber die steht nicht mehr so sehr im Mittelpunkt oder wird gar zum alleinigen Inhalt, wie man es in der Kurz-ÖVP noch gewohnt war. Bei der Parteitagsrede am Samstag beispielsweise hat man etliches an inhaltlichen Vorschlägen gehört. Kurz hätte das vermutlich besser verpackt, Nehammer kann jedoch zeigen, dass er bei der Umsetzung besser ist. Der neue ÖVP-Chef wird aber auch eine inhaltliche Antwort auf die vielfältigen Korruptionsvorwürfe an die Partei finden müssen. Zu sagen, die ÖVP habe kein Korruptionsproblem, wird auf Dauer nicht reichen.

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