Kirill Serebrennikow beschäftigt sich in seinem neuen Film mit der Homosexualität des Komponisten. Russland dürfte das nicht begeistern – die Ukraine allerdings auch nicht.
Da liegt er aufgebahrt, der selige Pjotr! Sein imposantes weißes Altershaar strahlt. Tschaikowskys Ehefrau, Antonina Miliukowa, steht mit Respektabstand daneben. Und erschaudert, als der tote Gatte sich plötzlich von seiner Ruhestätte erhebt. Missmutig wankt der Leichnam durch den Raum, grummelt vor sich hin, raunzt ein galliges „Du bist mir verhasst!“ in Richtung der Trauernden. Und legt sich dann seelenruhig wieder auf den Katafalk, während Antonina bittere Tränen vergießt.
Traum? Wirklichkeit? Halluzination? In „Tchaikovsky's Wife“, Kirill Serebrennikows erstem veröffentlichten Film nach der offiziellen Beendigung seines Hausarrests, fließen Wahrnehmungsebenen oft ineinander. Wie auch sonst im Schaffen des 52-jährigen Regisseurs: In Russland lassen sich diese Dinge manchmal nur schwer auseinanderhalten. Serebrennikow war dort ein ebenso provokanter wie arrivierter Star der Film- und Bühnenwelt, bis ihn das Regime 2017 zum prominenten Exempel für seinen Umgang mit kritischen Künstlern machte. Nach einem Schauprozess wurde er unter Kuratel gestellt, durfte das Land nicht verlassen und nur noch per Videoschaltung Regie führen.