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Gas: Warum sich die OMV bis 2040 verpflichtete

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Aufgrund des Krieges in der Ukraine will sich Österreich bis 2027 weitgehend von russischem Erdgas lösen. Für die teilstaatliche OMV könnte das ein Problem bringen. Sie ist eine Abnahmeverpflichtung bis 2040 eingegangen.

Wien. Vor etwas mehr als drei Monaten hat der russische Angriff auf die Ukraine begonnen. Seither geht in Europa die Sorge um, dass Moskau den Gashahn als Waffe verwenden und zudrehen könnte. Ein Embargo vonseiten der EU wurde von Ländern wie Deutschland und Österreich bereits als rote Linie definiert – die wirtschaftlichen und wohl auch gesellschaftlichen Folgen wären zu gravierend.

Bisher waren die Sorgen jedoch unberechtigt. So floss das Gas seit Beginn des Krieges ohne Einschränkungen nach Österreich und in andere westliche Länder. Auch der Streit über die Zahlung in Rubel wurde inzwischen beigelegt. In der Vorwoche übermittelte die OMV die Zahlung für Mai, per Euro an ein Konto der Gazprombank. Dort wurde das Geld in Rubel konvertiert und an die Gazprom weitergeleitet. Die EU hatte schon zuvor erklärt, dass sie dieses zweistufige System als sanktionskonform erachte. „Wir betrachten die Zahlung mit der Übermittlung in Euro als abgeschlossen“, heißt es dazu bei der OMV.

Dennoch sorgte das Thema Gas auch am Montag für Aufregung. Grund dafür war eine Aussage von Ex-OMV-Chef Gerhard Roiss im ORF am Sonntagabend. Damit erinnerte Roiss daran, dass in den Verträgen mit der Gazprom sogenannte Take-or-Pay-Klauseln enthalten sind. Das bedeutet, dass die OMV auch dann zahlen muss, wenn sie das Gas nicht bezieht. Das könnte für den teilstaatlichen Konzern vor allem hinsichtlich des politischen Ziels, bis 2027 unabhängig von russischem Erdgas zu werden, ein Problem darstellen. Die wichtigsten Fragen:

Was steht wirklich in den Verträgen zwischen OMV und Gazprom?

Zu den konkreten Vertragsinhalten gibt man bei der OMV keine Auskunft. Dennoch lassen sich ein paar Details eruieren. So gibt es nicht einen, sondern zwei Verträge. Einer – mit einem Jahresvolumen von rund 60 Terawattstunden – betrifft Lieferungen, die im österreichischen Gashub Baumgarten übergeben werden. Ein zweiter – mit einem Volumen von 40 Terawattstunden – hat den Übergabepunkt in Greifswald, wo die Pipeline Nord Stream in Norddeutschland an Land trifft. Zum Vergleich: Der heimische Jahresverbrauch beträgt rund 95 Terawattstunden.
Ebenfalls festgelegt ist in den Verträgen die Preisfindung. Sie besteht aus einer komplexen Formel, in die auch der aktuelle Spotmarkt-Preis in europäischen Hubs wie Baumgarten einfließt. Gegenüber diesem gibt es aber natürlich einen Preisabschlag. Dafür gibt es vonseiten der OMV die Abnahmeverpflichtung. Wird diese nicht erfüllt, sollen über 90 Prozent des Preises als Abschlagszahlung fällig werden.

Warum wurde der Vertrag 2018 vorzeitig verlängert?

Aus heutiger Sicht wirkt die Verlängerung bis 2040 unsinnig, der alte Vertrag wäre erst 2028 ausgelaufen. Allerdings wollte man sich damals frühzeitig günstige Konditionen längerfristig sichern. Das politische Risiko Russlands wurde in Österreich zu diesem Zeitpunkt allgemein unterschätzt. Klimapolitisch ist 2040 übrigens durchaus nachvollziehbar. So galt und gilt Gas als Brückentechnologie, um Kohle und Öl, die beide noch CO2-intensiver sind, zu ersetzen. Die Nachfrage nach Gas sollte daher laut allen Prognosen steigen. Und würde sie doch geringer werden, wäre auch der Preis in den Verträgen hinuntergegangen.

Warum gibt es die Take-or-Pay-Klausel in den Verträgen?

Als leitungsgebundene Energieform braucht Gas eine kostspielige Infrastruktur. Diese rentiert sich auch nur, wenn sie in hohem Maße genutzt wird. Deshalb wollte sich die Gazprom mit der Abnahmeverpflichtung absichern. Bei Energielieferverträgen sind solche Klauseln nicht ungewöhnlich.

Petra Winkler

Was heißt das bei einem vorzeitigen Ausstieg aus russischem Gas?

Das ist die Gretchenfrage und hängt auch von der konkreten Ausgestaltung des Ausstieges ab. Handelt es sich dabei nur um ein politisches Ziel, dann dürfte die OMV wohl weiterhin ihre Verträge gegenüber der Gazprom einhalten und das Gas abnehmen. Denn dieses wäre auf dem Markt auch wesentlich konkurrenzfähiger als Gas aus LNG-Tankern. Letzteres ist nämlich rund dreimal so teuer wie das russische Pipelinegas – einer der Gründe, warum man trotz der politischen Gefahren hierzulande stark auf dieses gesetzt hat. Anders ist die Situation, wenn es zu einem Importverbot für russisches Gas kommt – auf nationaler oder EU-Ebene. Dann wird es wohl einen jahrelangen Rechtsstreit zwischen OMV und Gazprom vor internationalen Schiedsgerichten zu dem Thema geben.

Warum wurde die Abhängigkeit von Russland eigentlich erhöht?

Für Aufregung sorgten zuletzt auch oft die Zahlen, denen zufolge Österreich vor zehn Jahren nur zu 60 Prozent von russischem Gas abhing, heute aber zu 80 Prozent. Die Zahlen stimmen, erklären sich aber durch zwei Gründe. So ging der Verbrauch in den vergangenen Jahren nach oben, während die Produktion in Österreich, aber auch in anderen EU-Ländern, zurückging. In Relation stieg dadurch der Anteil von russischem Erdgas deutlich an. Durch den vermehrten Zukauf von LNG soll er laut zuständiger Ministerin, Leonore Gewessler, heuer auf etwa 70 Prozent sinken.

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