Redebedarf

Muss man zu Chatbots höflich sein?

Neue Gesprächspartner im Internet: der, die, das Chatbot.(c) imago images/Zoonar (Zoonar.com/Patrick Daxenbichler via www.imago-images.de)
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100 Rätsel der Kommunikation, Folge 4. Frage und Antwort sind ein beliebtes Interaktionsritual. Nur dass die Antworten inzwischen eher Maschinen statt Menschen geben.

Das Internet ist voller Bullshit. Entschuldigung, zuviel Netflix-Serien im Original geschaut. Inzwischen hab' ich das Gefühl, ich kann zum ersten Mal so gut Englisch wie die Schweden. Aber zurück zum Bullshit: So tun als ob, ist die Königsdisziplin des Internets. Denn darin tummeln sich so viele Menschen, die so tun, als ob. Als ob sie wichtig wären. Als ob man sie kennen müsste. Und manche Maschinen tun auch so, als ob sie Menschen wären. Vor allem dann, wenn Unternehmen und Institutionen so tun, als ob sie wahnsinnig direkt und gut erreichbar wären, seitdem sie alle Telefonnummer verstecken auf ihren Websites und die Menschen, die früher abgehoben hätten, ausrangiert haben. Unternehmen sind seit der Digitalisierung sicher schlechter erreichbar. Beispiel: Man muss nur versuchen, zur Bank zu gehen. Oder auf die Post. Vor allem am Land. Oder ein Unternehmen anzurufen, um etwas zu fragen. Auch die Autowerkstatt tut inzwischen so, als sei sie nicht nur zum Auto Reparieren da, sondern Teil einer großen Idee. So etwas wie eine Plattform, auf der man sich Termine ausmachen kann. Bei manchen Arzt-Angelegenheiten ist das ja wirklich praktisch. Da interagiert man doch lieber mit einem unfreundlichen Online-Formular als mit einer grantigen Sprechstundenhilfe. Auf der Autowerkstatt-Plattform steht die Telefonnummer nur aus nostalgischen Gründen drauf.

Anrufen braucht man aber nicht. Denn Anrufen macht Arbeit. Da lässt man den Anrufer lieber die Arbeit selber machen. Alles schön ausfüllen, was man will und braucht. Den neuen Scheibenwischer nicht vergessen. Ach ja, Pickerl braucht man auch. Und apropos: Vor der großen Parkpickerl-Umstellung in Wien war ja rund um die zuständige Behörde in Wien eine Zeit lang auch nichts und niemand erreichbar. Trotz so einiger Telefonnummern. Dafür hat sich der Chatbot im Internet relativ schnell zurückgemeldet. Oder zumindest das oder der oder die, die ich für einen Chatbot gehalten habe. Diese Sprechblase am Bildschirm hatte einen Namen. Aber die Sprechblase vom oberösterreichischen Tourismusbüro hatte ja auch einen, ich glaube, sie hieß Lisi oder Anita oder R2D2. Ich weiß es nicht mehr genau. War aber definitiv ein Chatbot. Er war sehr nett zu mir. Wie das Wetter im Innviertel wird, wusste er trotzdem nicht.

Aber bei meinen Fragen zum Parkpickerl beim Magistrat war die Sprechblase am Schirm sehr hilfreich und hat alle Fragen beantwortet. Sogar meine allerletzte: Entschuldigung, sind Sie ein Chatbot? Er behauptete nein. Und schickte mir ein Emoji durch, das etwas im Auge hatte. Ich weiß nicht, ob ich ihm glauben kann. Aber sicherheitshalber hab' ich mich sehr freundlich von ihm verabschiedet. Schadet nicht. Vielleicht trifft man sich ja ein zweites Mal.

100 Rätsel der Kommunikation

Norbert Philipp bespricht in dieser Kolumne die dringendsten Fragen der digitalen und analogen Kommunikation: Muss man zu Chatbots höflich sein? Wie schreit und schweigt man eigentlich digital? Heißt „Sorry“ dasselbe wie „Es tut mir leid“?. Und warum verrät „Smoke on the Water“ als Klingelton, dass ich über 50 bin.


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