Interview

Was würde ein Gas-Lieferstopp bedeuten? „Dann stehen wir still, ganz einfach“

Die Herstellung von Milch und Käse ist extrem energieintensiv.
Die Herstellung von Milch und Käse ist extrem energieintensiv. (c) Getty Images/iStockphoto (Garetsworkshop)
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Josef Braunshofer, Chef von Berglandmilch, Österreichs größter Molkerei, über hohe Gaspreise, grüne Alternativen und „zumutbare“ Mehrkosten im Supermarkt.

Die Presse: Die Herstellung von Milch und Käse ist extrem energieintensiv. Wie sehr spüren Sie die hohen Energiepreise?

Josef Braunshofer: Wir spüren die Preissteigerungen brutal. Monatlich haben wir aktuell Mehrkosten von 1,2 bis 1,5 Mio. Euro. Natürlich müssen wir versuchen, diese Kostenbelastung bei den Produktpreisen aufzuschlagen. Das geht gar nicht anders, sonst gibt es uns mittelfristig nicht mehr.

Was würde ein möglicher Gas-Lieferstopp bedeuten?

Wenn der Gashahn ganz abgedreht wird und wir keine Versorgung im Stile von Speicherkapazitäten bekommen, stehen wir still, ganz einfach. Wenn der Gashahn abgedreht wird, wird die Frage sein, welche Bereiche sonst noch stillstehen werden. Ohne Gas werden etwa auch viele Verpackungsmaterialien nicht mehr verfügbar sein – etwa Joghurtbecher, Aluplatinen, Papiere, Kartonagen und Glasflaschen. Die Lieferkettenproblematik ist hier jetzt schon extrem fordernd. Es ist heute nicht mehr selbstverständlich, dass das Material, das wir brauchen, überhaupt noch kommt. Und wenn ja, dass es rechtzeitig kommt. Die Auswirkungen eines Gas-Lieferstopps wären, fürchte ich, größer, als wir uns das heute vorstellen können.

Konnten Sie sich einen Teil der strategischen Gasreserve sichern?

Dafür sind wir zu klein. Aber wir haben geltende Vereinbarungen mit den großen österreichischen Energieversorgern.

Darauf können Sie sich in dieser Ausnahmesituation verlassen?

Bisher haben diese Kontrakte immer gehalten. Ich gehe davon aus und hoffe, dass das weiter so sein wird.

Wie kann man sich als energieintensives Industrieunternehmen am besten auf einen möglichen Lieferstopp vorbereiten?

Zunächst steht Energiesparen ganz oben auf unserer Prioritätenliste. Als Berglandmilch versuchen wir, dieses Jahr fünf Prozent an Energie einzusparen. Und wir setzen gerade alles daran, auf alternative Energieträger umzurüsten, pflastern beispielsweise jeden freien Meter mit Solarpanelen zu. Dass wir aus den fossilen Energieträgern herauskommen müssen, gilt nicht nur für uns, sondern für die gesamte Industrie. Zur Herstellung unserer Milchprodukte brauchen wir Dampf mit 140 Grad Celsius und einem Druck von zehn Bar. Das ist allein durch elektrische Energie nicht darstellbar, darum brauchen wir heute Gas, was aktuell rund 60 Prozent unseres gesamten Energiebedarfs ausmacht.

Lässt sich Gas so einfach substituieren?

Als vor gut einem Jahr die Einführung einer CO2-Abgabe erstmals konkret im Raum stand, haben wir mit den Planungen begonnen, unsere Anlagen auf Hackschnitzel umzustellen – kombiniert mit Biogas. Mitte nächsten Jahres werden wir alle Werke bis auf Voitsberg auf Hackschnitzel umgestellt haben. In gut zweieinhalb Jahren wollen wir ganz weg vom Erdgas sein.

Die Industrie hat lang die schlechte Kommunikation von Energieministerin Gewessler kritisiert. Wurden Sie einbezogen?

Wir haben deponiert, wie viel Gas wir brauchen. Und ja, man kann immer besser informiert sein.

Der Lebensmittel-Bereich wird immer mehr zum Treiber der aktuellen Teuerungswelle. Im Mai war die Teuerung bei Butter am deutlichsten (plus 30,6 Prozent). Milch wurde um 9,5 Prozent teurer. Wie weit werden die Preise noch steigen?

Es ist natürlich nicht angenehm, aber ich muss es ganz ehrlich sagen: Es wird auch in Zukunft noch die eine oder andere Preiskorrektur nach oben geben. Auch bei den Bauern sind die Betriebskosten etwa bei Futtermittelpreisen stark gestiegen. Seit 1. Juli zahlen wir 50 Cent netto pro Liter Milch an unsere Milchbauern. Vor gut einem Jahr waren es noch 35 Cent – das ist eine Erhöhung von mehr als 40 Prozent. Ähnliche Preissteigerungen sehen wir auch bei Verpackungsmaterialien und beim Transport – Stichwort Spritpreise.

Die Situation ist für alle Seiten herausfordernd. Der Handel wird sich höhere Einkaufspreise nicht einfach gefallen lassen. Wird es Umschichtungen im Sortiment geben?

In vielen Bereichen sind wir gerade mitten in einem großen Umbruch-Prozess. Die Preispolitik des Handels darf und will ich nicht kommentieren. Aber auch hier macht gerade niemand die großen Gewinne. Wir verhandeln seit Monaten darüber, wie wir unsere Zusatzkosten möglichst sozial verträglich weitergeben können.

Zahlen werden es letztlich die Konsumenten. Waren Lebensmittel in der Vergangenheit zu billig?

Wir reduzieren den Wert von Lebensmitteln in der aktuellen Diskussion nur auf das Kriterium Preis. Aber es gibt doch noch ganz andere Parameter, wie beispielsweise Herkunft, Qualität und Tierwohl. Ich kann die Debatte daher nicht immer ganz nachvollziehen. Aber ja, es wird so sein, dass viele Lebensmittel teurer werden. Vielleicht lag unser Wohlstandsgewinn in den vergangenen 30 Jahren auch an vergleichsweise billigen Lebensmitteln – eben auch bedingt durch günstige Energiepreise. Bisher haben wir in Österreich im Schnitt rund zwölf Prozent unseres Einkommens für Lebensmittel ausgegeben. Wenn die Lebensmittelpreise jetzt um zehn Prozent steigen, sind es gut 13 statt zwölf Prozent. Auch wenn es viele nicht hören wollen: Für sehr viele von uns ist das zumutbar.

Bundeskanzler Nehammer kann sich eine Mehrwertsteuer-Senkung auf Milch und Brot vorstellen. Was halten Sie davon?

Da sind wir schon tief in der Sozialpolitik. Es geht um die Frage, was gut und notwendig für diverse Bevölkerungsschichten ist. Ich halte es da mit dem Fiskalratschef Christoph Badelt, der sagt, es sollte dabei immer um soziale Treffsicherheit gehen. Wenn die Politik meint, es ist am besten, steuerlich was zu tun, nehmen wir das zur Kenntnis. Es gibt mit Sicherheit Bevölkerungsschichten, die jetzt unterstützt werden müssen. Ich glaube auch, dass jetzt viele ihre Prioritäten neu definieren, wofür sie wie viel ausgeben. Und wir müssen wahrscheinlich generell mehr sparen, auch beim Wegwerfen. Laut einer Studie werden zwölf Prozent aller Milch- und Molkereiprodukte weggeworfen, das muss nicht sein. Wir erleben in vielen Dingen eine Zeitenwende.

Berglandmilch eGen

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