Migration

Nehammer beklagt defektes EU-Asylsystem

Ein Bild von Mitte Juni, als die griechische Küstenwache ein Boot mit Migranten vor Mykonos abfing.
Ein Bild von Mitte Juni, als die griechische Küstenwache ein Boot mit Migranten vor Mykonos abfing.APA/AFP/Hellenic Coast Guard/HAN
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Der Kanzler will die angespannte Situation bei seiner Zypern-Reise thematisieren. Innenminister Karner forderte die EU auf, nach britischem Vorbild Abschiebungen in Drittstaaten wie Ruanda zu ermöglichen.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat im Vorfeld seiner Reise in den Libanon scharfe Kritik am europäischen Asylsystems geübt. Österreich sei mit einem steigenden Migrationsdruck konfrontiert, beklagte Nehammer am Montag. Bis Ende Juni seien rund 31.000 Asylanträge verzeichnet worden. Dies sei ein Plus von 185 Prozent zum Vergleichszeitraum im Vorjahr.

Österreich trage damit im EU-Vergleich pro Kopf die zweitgrößte Last nach Zypern und liege noch vor Malta, Griechenland und Deutschland. Rund 80 Prozent der Asylwerber würden über Schlepper nach Europa. Der Ukraine-Krieg habe dieses Geschäft weiter befeuert. Österreich habe bisher rund 80.000 Vertriebene aus der Ukraine aufgenommen.

Der Kanzler will die angespannte Situation in den nächsten Tagen auch bei seinem Besuch in Zypern ansprechen, wie er in einer Aussendung mitteilte. Nehammer bricht am Montag zu einer Reise nach Israel, Zypern und dem Libanon auf. Der Libanon hat weltweit am meisten Flüchtlinge aufgenommen. 

Karner will Abschiebungen in Drittstaaten prüfen

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) will unterdessen über Abschiebungen illegal eingewanderter Migranten in Nicht-EU-Staaten nach dem Vorbild Großbritanniens diskutieren. Man solle sich anschauen, wie das Großbritannien mache oder Dänemark plane, sagte Karner am Montag bei einem Treffen der EU-Innenminister in Prag. "Die Situation bei der illegalen Migration ist in der Tat dramatisch", so der Innenminister.

Eine Vereinbarung Großbritanniens mit Ruanda sieht vor, dass illegal eingereisten Menschen der Zugang zu einem Asylverfahren versagt wird. Stattdessen sollen die Migranten - gleich welcher Nationalität - nach Ruanda geschickt werden und dort Asyl beantragen. Eine Rückkehr ist nicht vorgesehen. Einen ersten Flug mit Asylsuchenden hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Mitte Juni aber per einstweiliger Verfügung gestoppt. Dänemark hat ähnliche Pläne verkündet.

"Ich weiß, dass es rechtlich jetzt noch nicht möglich ist, aber wir sollten darüber diskutieren und darüber reden", sagte Karner. Es gehe zunächst nicht um konkrete Länder, sondern darum, ob es grundsätzlich möglich wäre.

Außengrenzschutz und Verfahren in Drittstaaten

Nicht nur Österreich, sondern ganz Europa sei davon betroffen. Einerseits würden die Schlepper immer dreister damit werden, dass Europa wegen der Vertriebenen aus der Ukraine offen sei. Andererseits treibe die wirtschaftliche Situation in vielen Ländern Menschen in die Flucht.

"Aber da müssen wir auch klar sagen: Dafür ist das Asylsystem letztendlich nicht da", so Karner. Österreich setze nationale Maßnahmen durch verstärkte Kontrollen an den Grenzen. Karner forderte aber auch Maßnahmen auf europäischer Ebene, "dass wir im Asylsystem hier Regelungen schaffen, die das nicht nach sich ziehen, was wir jetzt haben".

Österreich sei von allen europäischen Ländern am zweitstärksten von illegaler Migration belastet, obwohl es ein Binnenland sei, sagte Karner. Karner will insbesondere die Themen Außengrenzschutz und Verfahren in Drittstaaten in Prag ansprechen.

Man sei erst ganz am Beginn der Diskussion, so Karner weiter. "Aber schauen wir uns die Erfahrungen an. Es muss doch das Ziel sein, dass wir verhindern, dass sich Menschen über das Mittelmeer mit Schleppern auf den Weg machen, wo sie drohen zu ertrinken, oder in Lastwägen über die Balkanroute, wo sie ersticken zu drohen."

Auch Waffenschmuggel nimmt zu

Im Schatten des russischen Angriffskriegs in der Ukraine sieht Karner auch einen steigenden Waffenschmuggel. Die Organisierte Kriminalität versuche hier ihr Geschäft zu ordnen, so der Innenminister. Karner dankte dem tschechischen EU-Ratsvorsitz dafür das Thema auf die Tagesordnung zu setzen, um durch Kontrollen und Polizei-Zusammenarbeit den Schmuggel verhindern zu können.

Die EU-Staaten können sich seit Jahren nicht auf eine Reform des europäischen Asylsystems einigen. Mehrere osteuropäische Länder und Österreich lehnen eine Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU strikt ab.

(APA)

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