Ist ORF.at tatsächlich ein „Bollwerk gegen Fake News“?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter legt mit ihrer Kritik an der „blauen Seite" nach und sucht nach Zahlen, um dessen Ruf als „einziges Qualitätsmedium“ ohne Bezahlschranke zu belegen.

„Retten wir die Medienvielfalt. Drehen wir ORF.at ab“, forderte Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter Anfang des Monats provokant. Denn, so ihre Argumentation, der GIS-finanzierte ORF.at habe eine „unverhältnismäßige Marktmacht“ gegenüber den privat finanzierten Angeboten von Zeitungen und Magazinen. Ein Sturm der Entrüstung folgte auf Brandstötters Vorschlag: Für ORF-Generaldirektor Roland Weißmann würde eine Abschaffung „ganz klar die rote Linie“ überschreiten. Mehrere Medienexperten äußerten ihre Kritik an der Infragestellung von ORF.at – mit der Argumentation, dass die Information auf der sogenannten „blauen Seite“, der Nachrichtenseite des ORF, qualitativ hochwertig und vielfältig sei. Wie sehr stimmt das? Der Frage ging Brandstötter nun in einem Text nach, der der „Presse“ vorliegt.

Die Politikerin überprüfte Zahlen aus dem Geschäftsbericht des ORF und checkte sie mit jenen aus der Österreichischen Web Analyse (ÖWA) quer. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr auf ORF.at demnach 180.000 Meldungen veröffentlicht. Der Großteil davon waren sogenannte Tickermeldungen mit nur einem Absatz. Beispielsweise in den Bereichen Nachrichten inklusive Chronik und Lifestyle: Von den insgesamt knapp 45.000 Meldungen waren rund 40.0000 Tickermeldungen. Ähnlich waren die Zahlen im Jahr davor. Eine Ausnahme bildet aber das Wetter: Hier gab es eine starke Zunahme zwischen 2020 und 2021. Rund 34.000 Wettermeldungen wurden im vergangenen Jahr veröffentlicht – das ist ein Plus von fast 10.000 im Vergleich.

Sport: Wenige Geschichten, viele Leser

Im Bericht des ORF wurden vor allem Corona und Sport als zentral für die Zugriffe beschrieben. Doch der Sport macht nur acht Prozent der Beiträge aus. „Man kann zum Beispiel vermuten, dass Menschen hier besonders gerne Sportnachrichten konsumieren“, schlussfolgert Brandstötter. „Ob das im Kampf gegen Fake News und Verschwörungstheorien hilfreicher ist als die Onlineprodukte anderer Medienhäuser, kann diskutiert werden.“

„Ich finde, dass es nicht gerechtfertigt ist, ORF.at als einziges Qualitätsmedium, alleiniges Bollwerk gegen Fake News und als Hort von Seriosität zu betrachten“, so die Mediensprecherin. „Der Umkehrschluss wäre ja, dass alle österreichischen Printmedien und ihre Digitalausgaben Schund wären und nichts dazu beitragen, die Bürgerinnen und Bürger seriös zu informieren.“ Sie fordert vom ORF eine seriös gestaltete Offenlegung der Zahlen.

„ZiB 2"-Moderator Armin Wolf kommentierte auf Twitter: Die Bedeutung von ORF.at liege doch „genau darin, dass es für alle offen ist, während kommerzielle Angebote zunehmend hinter Bezahlschranken gehen“.

Mehr Freiheit für den ORF online

Hintergrund der Debatte ist das ORF-Gesetz, das novelliert wird. Dieses soll dem ORF online mehr Freiheiten geben – etwa, wie dass Produktionen länger in der TVthek abrufbar sein dürfen und Inhalte eigens für Social Media produzieren werden dürfen. Bis dato ist der ORF hier an Sendungsinhalte gebunden. Umgekehrt fordern die durch hohe Papierpreise und Inflation unter hohem wirtschaftlichen Druck stehenden Verleger mehr Beschränkungen für ORF.at. So sollen mehr Menschen motiviert werden, ein Digitalabo abzuschließen.

(her)

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