San Sebastián

Ulrich Seidls "Sparta" kurz vor Weltpremiere in Spanien

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Regisseur Ulrich Seidl kommt doch nicht zur Vorführung seines umstrittenen Films beim Filmfest von San Sebastián. Dessen Leitung steht jedoch dazu, den Film zu zeigen und nicht „vom Schuldprinzip auszugehen“.

Es sei ihm klar geworden, dass „meine Anwesenheit bei der Premiere die Rezeption des Films überschatten könnte, während es jetzt an der Zeit ist, dass ,Sparta‘ für sich selbst spricht“: So begründete Regisseur Ulrich Seidl am Samstag, dass er nicht wie geplant zur Weltpremiere seines Films am Sonntag in San Sebastián reist.

Dort hält man aber an der Vorführung fest. „Es wird gefährlich, wenn Filmfestivals aufgrund medialen Drucks und bloßer Anschuldigungen ohne Belege anfangen, vom Schuldprinzip und nicht vom Unschuldsprinzip auszugehen“, mahnte José Luis Rebordinos, der Leiter des Filmfestivals, am Freitag. Und erklärte: „Es ist nicht nur eine von Seidls besten Arbeiten überhaupt. Mit der Premiere werden hoffentlich auch die ganzen Debatten um die Dreharbeiten endlich in den Hintergrund treten. Es ist ein herausragender, sehr eleganter Film, und alles, was den Betrachter verstören oder schockieren könnte, ist im Off.“

Dass Rebordinos' Hoffnung sich erfüllt, darf bezweifelt werden: Denn bei den von ihm erwähnten Debatten geht es nicht um den fertigen Film – der vom inneren Kampf eines Mannes mit pädosexuellen Neigungen handelt –, sondern um dessen Produktion. Also genau um jenes „Off“, das eine Sichtung des Endprodukts nicht ergründen kann. Es ist nicht das erste Mal, dass eine Arbeit Seidls heftige Reaktionen hervorruft. Doch der Streit um „Sparta“ stellt alles bisher Dagewesene in den Schatten. Zumal es sich nicht um allgemeine Kritik an der Ästhetik und Arbeitsweise des renommierten österreichischen Regisseurs handelt, sondern um konkrete Vorwürfe, die am 2. 9. in einem etablierten deutschen Wochenmagazin erhoben wurden.


Vorwürfe im Raum.
Zwei Mitarbeiter der „Sparta“-Produktion, die manches an ihr nicht vertretbar fanden, hatten sich an Journalisten des „Spiegel“ gewandt – woraufhin diese monatelang in Rumänien (wo der Film gedreht wurde) recherchierten. Sie befragten Kinderdarsteller und deren Eltern, auch Personen, die in diversen Funktionen am Dreh beteiligt waren. Und kamen zur Überzeugung, Seidl und Mitglieder seines Teams hätten die Eltern der minderjährigen Laiendarsteller beim Casting bewusst im Unklaren über die sexuellen Aspekte des Films gelassen. Zudem hätten sie beim Dreh das künstlerische, teils auf Improvisation fußende Resultat in fahrlässiger Weise über das psychische Wohlergehen der gecasteten Kinder gestellt. Seidl hat die Vorwürfe bestritten. Am Dienstag erschien in der Wiener Wochenzeitung „Falter“ ein Artikel mit weiteren, unabhängig vom „Spiegel“ durchgeführten Recherchen und anonymisierten Vorwürfen. „Profil“ dagegen veröffentlichte vor allem verteidigende Stellungnahmen aus dem Team. So erklärt Cutterin Monika Willi: „Ich habe da nichts Verdächtiges gesehen.“ Im Material finde man „nichts Auffälliges, nichts Bedrohliches, nichts Bedenkliches“.

Die Causa zwang auch andere Festivals zur Positionierung. Das Filmfest von Toronto hat die für 9. September geplante „Sparta“-Weltpremiere kurzfristig abgesetzt. Das Filmfest Hamburg (ab 29. 9.) hat eine Ehrenpreisverleihung für Seidl gestrichen, will den Film aber zeigen, den man, so ein Statement der Festivalleitung, „aufgrund seiner herausragenden Qualität ins Programm aufgenommen“ habe. ⫻

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2022)

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