Randerscheinung

Die Queen, ein Fußballfan?

Carolina Frank
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„Also der Queen wäre es sicher wurscht, ob sie spielen oder nicht.“

Österreich, halb acht Uhr am Freitag, ich komme gerade von meiner Hunde-Frührunde zurück. „Papa, wann ist eigentlich wieder Champions League?“, fragt der Jüngste statt eines „Guten Morgens“ und packt dabei unzählige Bücher, Hefte, Einlage­blätter und Schnellhefter in verschiedenen Farben in ein Riesensackerl.

Der Schulstart ist – auch – eine Materialschlacht. „Weiß nicht, war doch gerade erst. Ich habe gehört, sie überlegen noch, ob sie die Premier League am Wochenende nicht absagen wegen des Todes der Queen.“ Eine Ringmappe schnappt mit einem scharfen Klacken zu: „Also der Queen wäre es sicher wurscht, ob sie spielen oder nicht.“ Ja, das vermute ich auch, aber an diesem Freitagmorgen hat irgendwie jeder das Gefühl, etwas tun zu wollen, um das Leben von Elizabeth II. zu würdigen. Wenn Zeitzeugen ­sterben, geht der ganzen Welt etwas ­verloren. Mich hat immer diese Idee fasziniert, dass man über drei Ecken (oder zumindest fünf) zu jedem Menschen auf der Erde einen direkten Kontakt konstruieren kann (also ich kenne jemanden, der jemanden kennt, der jemanden kennt...). Wer über diesen Umweg bis zur Queen gelangt, ist nur mehr einen Schritt entfernt von historischen Figuren wie Winston Churchill. Und von dort weg praktisch überallhin.

Der Bub hat inzwischen seine Schultasche und das Monster­sackerl vollgepackt und muss jetzt Ameisenhaftes vollbringen, weil das sicher mehr wiegt als sein Körper. „Woran ist die Queen eigentlich gestorben“, will er dann noch wissen. Meine Antwort („Weil sie sehr alt war.“) stellt ihn nicht zufrieden. Dass Menschen auch ­sterben müssen, wenn sie das Glück haben, nie krank zu werden, ist ja auch schwer zu begreifen. Hoffentlich ist wenigstens Fußball am Wochenende.

("Die Presse Schaufenster" vom 16.09.22)

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