Flucht

NGOs orten "strukturelles Versagen" des Bundes bei Umgang mit Geflüchteten

APA/HERBERT P. OCZERET
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Die Erstaufnahmezentren sind an der Belastungsgrenze angelangt. Das liege vor allem daran, weil die Länder zu wenige Menschen aufnehmen, kritisieren diverse Hilfseinrichtungen.

Die Erstaufnahmezentren sind voll. Das Innenministerium erklärt, man sei - auch wegen der vielen Ukrainerinnen und Ukrainer, die vor dem russischen Angriff geflohen sind - an der Belastungsgrenze angelangt. Der Versorgungsengpass sei nur auf mangelnde Kooperation zwischen Bund und Ländern zurückzuführen, erklären hingegen die Hilfsorganisationen Amnesty International, asylkoordination, Caritas, Diakonie, Integrationshaus, Samariterbund, SOS-Mitmensch und Volkshilfe. Die Länder müssten ihre Aufgabe erfüllen.

"Das ist ein weitreichendes strukturelles Versagen des Staates im Umgang mit Asylwerberinnen und Asylwerber", betonte die Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, Annemarie Schlack, am Freitag. Voll seien die Bundesbetreuungseinrichtungen, weil die Länder zu wenige Menschen aufnehmen.

Aufgabenteilung „eigentlich ganz klar"

Dabei sei die Aufgabenverteilung "eigentlich ganz klar": Der Bund müsse Menschen bis zur Zulassung ihres Asylverfahrens in Österreich unterbringen und versorgen. Nach der Zulassung zum Verfahren haben sich die Länder in der Grundversorgungsvereinbarung verpflichtet, diese Aufgabe binnen zwei Wochen zu übernehmen. Die Länder hätten aber teils Quartiere zugesperrt, weil die Zahl der Menschen in Grundversorgung kaum gestiegen sei.

Ende August 2022 befanden sich 6784 Schutzsuchende in Erstaufnahmestellen des Bundes. 4514 davon waren aber schon zum Verfahren zugelassen, müssten also von den Bundesländern versorgt werden - die derzeit um rund 5000 Asylwerberinnen und Asylwerber weniger versorgen würden als 2019.

Zu wenig Unterstützung für private Quartiergeber

Die aktuelle Überlastung der Bundes-Einrichtungen sei nicht auf die Zahl der Antragsteller im regulären Asylsystem zurückzuführen, sondern vor allem darauf, dass bisher privat untergebrachte Ukrainerinnen und Ukrainer verstärkt auf organisierte Quartiere zurückgreifen müssten. Dies liege auch an der mangelnden Unterstützung der privaten Quartiergeber.

Angesichts der Teuerungen sei es "täglich weniger selbstverständlich, dass Private eine weitere Familie mitversorgen, ohne dafür ausreichend finanzielle Unterstützung zu bekommen", stellte Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser fest. Die NGOs fordern mehr Mietunterstützung für privat wohnende Geflüchtete, steuerliche Vorteile für Quartiergeber. Sie regen an, die Ukrainerinnen und Ukrainer in das Sozialhilfesystem zu überführen.

Schnellverfahren für offensichtlich begründete Asylanträge

Weiters fordern die Hilfsorganisationen die anderen Länder - außer Wien, das mit dem Bund die Hauptlast trage - auf, ihren Verpflichtungen nachzukommen und ausreichend Quartiere zu organisieren. Die Hilfsorganisationen stünden bereit, Unterbringung und Begleitung zu übernehmen, "sofern die finanziellen Rahmenbedingungen endlich den realen Kosten angepasst werden", erklärte Caritas-Generalsekretärin Anna Parr.

Angesichts der Teuerung müssten zudem die Kostensätze für Errichtung und Betrieb von organisierten Flüchtlingsquartieren noch einmal erhöht werden. Für Geflüchtete, deren Asylanträge offensichtlich begründet sind - etwa aus Afghanistan oder Syrien - sollte es Schnellverfahren geben, und nicht "monatelange unsinnige Zermürbung der Schutzsuchenden in Großlagern", verlangte Lukas Gahleitner (asylkoordination österreich).

Erst letzte Woche beklagte der Bürgermeister von Traiskirchen, Andreas Babler (SPÖ), "dramatische" Zustände im Asyl-Erstaufnahmezentrum in seiner Stadt. Er berichtete, dass sich derzeit mehr als dreimal so viele geflüchtete Menschen dort befinden, als die Anzahl der Personen, auf die das Gebäude ausgelegt ist. Babler verlangte deshalb mehr Bundeszentren. Das Innenministerium war über die Aussagen Bablers verwundert und sprach von „konstruktiven Gesprächen“ mit dem Bürgermeister.

(APA)

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