Der ökonomische Blick

Wie wirkt sich Geldpolitik auf die Einkommens- und Vermögensverteilung aus?

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Verteilungspolitik gehört nicht zu den Zielen der Europäischen Zentralbank. Dennoch kann die EZB dazu beitragen, nationale Verteilungsmuster zu verschärfen.

Die globale Finanzkrise von 2007/2008 oder die Eurokrise stellten die Zentralbanken vor nie dagewesene Probleme. Unkonventionelle Maßnahmen wie Quantitative Easing (QE) wurden als Antwort auf diese Herausforderungen entwickelt, sie warfen aber auch Fragen über ihre Funktionsweise und potenzielle Nebenwirkungen auf. Außerdem wurde angesichts des Trends steigender Einkommens- und Vermögensungleichheit die Beziehung zwischen Geldpolitik und Verteilung in Frage gestellt - speziell im Zusammenhang mit der Übertragung von Geldpolitik auf die Realwirtschaft und finanzielle Stabilität.

Jede Woche gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

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Geldpolitik und Ungleichheit

Die Forschung zur Geldpolitik zeigt, dass Zinssatzerhöhungen in vielen Ländern Einkommensungleichheiten verschärfen. Dieser Effekt lässt sich vor allem damit erklären, dass höhere Zinsen Anreize schaffen, weniger zu investieren. Sie verringern damit die ökonomische Aktivität. Dadurch sinkt die Nachfrage nach Arbeitskräften und die Arbeitslosigkeit steigt. Darunter leiden vorrangig Haushalte mit niedrigem Einkommen, da sie besonders abhängig von Lohneinkommen und schlechter vor Entlassungen geschützt sind. Analysen der Auswirkungen von Zinssatzänderungen auf Vermögensungleichheit deuten darauf hin, dass eine expansive, also eine zinssatzsenkende Politik, die die Wirtschaft ankurbeln will, Ungleichheiten vermindert.

Über die Wirkung von unkonventioneller Geldpolitik auf die Verteilung von Einkommen und Vermögen ist wenig bekannt, unter anderem wegen der Neuheit unkonventioneller Instrumente und der daher limitierten Verfügbarkeit von Daten. Zumindest theoretisch kann davon ausgegangen werden, dass QE-Programme, die geschaffen wurden, um die Wirtschaft zu stimulieren, auf ähnliche Weise wie der oben beschriebene Kanal funktionieren und somit die Ungleichheit verringern könnten.

Eine gemeinsame Perspektive auf Einkommens- und Vermögensungleichheit

Während sich die bisherige Forschung vor allem darauf konzentriert, wie sich Geldpolitik auf Ungleichheit, entweder gemessen an Einkommen oder Vermögen, auswirkt, gibt es gute Gründe, sich darüber hinaus mit der entsprechenden gemeinsamen Verteilung dieser Variablen zu befassen.

Eine Analyse von Daten aus der Eurozone zeigt, dass Einkommen und Vermögen positiv korreliert sind, was durch die Zinssatzerhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) in den meisten Ländern noch verstärkt worden zu sein scheint. Haushalte, die über wenig bis kein Vermögen verfügen, haben auch ein geringes Einkommen. Das erschwert oder verunmöglicht es zu sparen und Vermögen aufzubauen. Umgekehrt können diese Haushalte aber auch nicht auf Erspartes zurückgreifen, wenn ihr Einkommen sinkt oder ausbleibt. Um sich ein umfassendes Bild über Ungleichheiten zu schaffen, ist es daher sinnvoll, Einkommen und Vermögen gleichzeitig zu betrachten.

Abbildung 1 zeigt eine Schätzung der gemeinsamen Verteilung von Einkommen und Vermögen in ausgewählten Ländern der Eurozone. Die ovale, nach rechts geneigte Form der Verteilung lässt darauf schließen, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen Einkommen und Vermögen gibt.

Abbildung 1: Verteilung von Einkommen und Vermögen in ausgewählten Ländern der Eurozone.
Abbildung 1: Verteilung von Einkommen und Vermögen in ausgewählten Ländern der Eurozone.

Untersucht man die Ungleichheit von Einkommen und Vermögen in der Eurozone, so ist Vermögen immer ungleicher verteilt als Einkommen. Misst man Ungleichheit sowohl in Einkommen als auch in Vermögen, so ist die gemeinsam gemessene Ungleichheit zwar höher als die Einkommensungleichheit, aber geringer als die Vermögensungleichheit. Ein eindeutiger Effekt von Geldpolitik auf die gemeinsame Verteilung von Einkommen und Vermögen in der Eurozone lässt sich nicht feststellen. Eine Anhebung des Leitzinses erhöht die gemeinsame Ungleichheit in manchen Ländern, so zum Beispiel in Spanien oder Frankreich, senkt sie aber in anderen, zum Beispiel Deutschland oder Italien. Ähnliches gilt auch für QE, bei dem eine Reduktion der Programme die Ungleichheit in Ländern wie Österreich erhöht und sie in anderen, wie zum Beispiel Deutschland, Frankreich, Irland und Italien, senkt.

Diese nationalen Unterschiede lassen sich zum Teil dadurch erklären, wie Vermögensportfolios und Einkommen in verschiedenen Ländern zusammengesetzt sind. Obwohl Lohneinkommen und Wohneigentum in allen Ländern die wichtigste Rolle spielen, gibt es bedeutsame Unterschiede, wie Haushalte ihr Einkommen verdienen und ihr Vermögen halten (siehe Abbildung 2 für eine Aufstellung der relativen Bedeutung der Einkommens- und Vermögensarten verschiedener Länder der Eurozone).

Abbildung 2 Einkommensarten entlang der Verteilung von Vermögen (oberes Panel) sowie Vermögensklassen entlang der Einkommensverteilung (unteres Panel) in ausgewählten Ländern der Eurozone.
Abbildung 2 Einkommensarten entlang der Verteilung von Vermögen (oberes Panel) sowie Vermögensklassen entlang der Einkommensverteilung (unteres Panel) in ausgewählten Ländern der Eurozone.

Zudem beeinflussen strukturelle Faktoren die gesamtwirtschaftlichen Effekte von Geldpolitik. Zum Beispiel können der nationale Arbeits- oder Immobilienmarkt aufgrund von Unterschieden in gesetzlichen Regelungen verschieden auf Änderungen des Leitzinses reagieren. Dies beeinflusst, wie einzelne Haushalte von Geldpolitik betroffen sind.

Die Effekte von Geldpolitik auf die gemeinsame Verteilung von Einkommen und Vermögen sind relativ klein. Außerdem gehören verteilungspolitische Aspekte nicht zu den Zielen der EZB. Dennoch kann ihre Politik dazu beitragen, nationale Verteilungsmuster zu verschärfen, und es kann im Interesse der lokalen Regierungen sein, solchen Auswirkungen mit entsprechenden fiskalpolitischen Maßnahmen entgegenzuwirken.

Die Autorin: Anna Stelzer ist Post-doc Forscherin an der Universität Salzburg. Die dem Artikel zu Grunde liegende Forschung wurde durch die NOeG Dissertation Fellowship unterstützt.
Die Autorin: Anna Stelzer ist Post-doc Forscherin an der Universität Salzburg. Die dem Artikel zu Grunde liegende Forschung wurde durch die NOeG Dissertation Fellowship unterstützt.

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