Wenn man jung ist, reicht überleben nicht. Anne Woltz erzählt eindrucksvoll von drei britischen Jugendliche im Zweiten Weltkrieg.
Ein hinkendes und gehemmtes Mädchen, ein frecher Lebenskünstler aus der Gosse und eine stolze, trotzige Adelige, die sich das Leben nicht verbieten lassen will. Es sind unwahscheinliche Freundschaften, die sich in Anne Woltz' Jugendroman „Nächte im Tunnel“ bilden. Aber es ist auch eine Extremsituation, denn die drei treffen sich im September 1940 in London. Als die Stadt jede Nacht von den Nazis bombardiert wird. Weshalb viele der Bewohner Zuflucht in den verzweigten Tunneln der U-Bahn suchen. Schlafen kann man dort zwar kaum, dicht aneinandergedrängt mit Fremden. Und anstrengend ist es auch: Das Anstellen, das Herumschleppen der wichtigsten, wertvollsten Dinge Nacht für Nacht. Aber immerhin kommt man so mit dem Leben davon. Wahrscheinlich. Und trifft vielleicht Freunde - oder mehr.
Anne Woltz erzählt in melodiöser, klarer Sprache davon, wie die drei Jugendlichen einander verstehen lernen, wie sie miteinander wachsen. Und malt ein beeindruckendes Bild von London zur Zeit des Bombardements: Das warme, feuchte Menschenmeer in den Tunneln, die riesigen Eisenrippen. Das Anpassen an die Gegebenheiten mit Schachspiel und Strickzeug. Die Löcher in den Straßenzügen. Und oben am Himmel die Sperrballons, die Bomben stoppen sollen. Die Jugendlichen, so verschieden sie sind, eint eines: Sie wollen leben - und nicht nur überleben. Ein wunderbares Buch.
Anna Woltz: Nächte im Tunnel. Aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann. Carlsen Verlag, 222 Seiten, geb., 16,50 €. Alter: ab 12 Jahren.
