Bald neun Monate dauert die Invasion. Die anfängliche Verdrängung in Russland ist einer Unruhe gewichen – und der Krieg heute in jedem Wohnzimmer.
Moskau. „Muss Petja in den Krieg?“ Der Gedanke geht Rita seit Monaten nicht aus dem Kopf. Auch nachdem Russlands Präsident Wladimir Putin die Mobilisierung vor einigen Tagen für beendet erklärt hatte, weicht er nicht von ihr. „Nein, Petja geht nicht in den Krieg“, hat Rita beschlossen. Wie sie auch beschlossen hat, dass sie als Familie ihrem Land den Rücken kehren. „Endgültig.“
So steht die Ärztin, die ihren Nachnamen aus Sicherheitsgründen nicht nennen will, an diesem sonnigen Herbsttag im Moskauer Dom Knigi, dem einzigen staatlichen Buchladen der Stadt und dem größten Buchladen des Landes am Neuen Arbat, und sucht nach Lehrbüchern für Hebräisch. „Ich will nicht unvorbereitet auswandern. Ich will mich wenigstens ein bisschen mit der Sprache beschäftigen.“ Sie blättert durch die dünnen Seiten, sieht sich die russische Umschrift der hebräischen Buchstaben an. Es gibt nicht viele Hebräischbücher hier.