Taliban-Regime

Afghanistan: UNO fordert Aufhebung des NGO-Arbeitsverbots für Frauen

Frauen haben in Afghanistan kaum noch Rechte.
Frauen haben in Afghanistan kaum noch Rechte.APA/AFP/AHMAD SAHEL ARMAN
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"Millionen brauchen humanitäre Hilfe, und die Beseitigung von Barrieren ist lebenswichtig“, appelliert die UNO. Mehrere Nichtregierungsorganisationen hatten am Sonntag erklärt, ihre Tätigkeiten in Afghanistan einzustellen.

Die Vereinten Nationen (UN) fordern die Aufhebung des von den radikalislamischen Taliban in Afghanistan verhängten Arbeitsverbotes für Frauen bei Nichtregierungsorganisationen (NGO). Darauf habe der Leiter des UN-Unterstützungseinsatzes in Afghanistan (UNAMA), Ramis Alakbarow, bei einem Treffen mit dem afghanischen Wirtschaftsminister Mohammad Hanif gedrängt, hieß es am Montag. "Millionen Afghanen brauchen humanitäre Hilfe, die Beseitigung von Barrieren ist lebenswichtig."

Hanifs Ministerium hatte am Samstag alle einheimischen und ausländischen NGO angewiesen, weibliche Beschäftigte bis auf weiteres nicht mehr zur Arbeit gehen zu lassen. Begründet wurde dies damit, dass sich einige Frauen nicht an die vorgegebene Auslegung der islamischen Kleiderordnung gehalten hätten.

Der Schritt löste weltweit Sorge und Kritik aus. Auch bei der Europäischen Union stieß der Schritt auf harsche Kritik. Manche sprachen von einer "roten Linie", die die Taliban überschritten hätten.

Die Anordnung gilt zwar nicht direkt für die Vereinten Nationen, aber viele ihrer Programme werden von Organisationen umgesetzt, die ihr unterliegen. Wegen dieser weiteren Einschränkung von Frauenrechten haben mehrere internationale Hilfsorganisationen ihre Arbeit im Land vorerst ausgesetzt. So erklärten die drei NGOs Save the Children, Care International und Norwegian Refugee Council am Sonntag, ihre Programme in dem Land mit geschätzt 37 Millionen Einwohnern würden auf Eis gelegt, da man auf Klarheit über die Anordnung der Regierung warte.

Streit um Verschleierung von Mitarbeiterinnen

Das Wirtschaftsministerium in Kabul begründete seine Forderung nach Suspendierung der Mitarbeiterinnen damit, dass die Frauen sich angeblich nicht ordentlich verschleierten und damit gegen Vorschriften verstießen. Taliban-Anhänger schrieben in sozialen Medien, Frauen würden unter ihnen besser beschützt als von westlichen NGOs.

Eigentlich waren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen die letzten Vertreter aus dem Westen, die in dem krisengeplagten Land geblieben waren. Die Taliban übernahmen im Sommer 2021 die Macht in Afghanistan. Internationale Truppen zogen überhastet ab. Westliche Länder brachten ihr Botschaftspersonal in Sicherheit. Internationale Helfer versorgten zuletzt Millionen Menschen mit Nahrungsmitteln, betrieben Gesundheitskliniken oder unterrichteten Mädchen. Damit könnte nun Schluss sein.

Taliban geben sich uneinsichtig

Auch wenn die NGOs Beobachtern zufolge hoffen, dass sie mit der Einstellung ihrer Arbeit bei den Taliban ein Umdenken auslösen, hatten sie zunächst keinen Erfolg. Am Sonntag rief ein Taliban-Sprecher dazu auf, sich nicht in die internen Angelegenheiten Afghanistans einzumischen. Alle Institutionen, die in Afghanistan tätig werden wollten, seien verpflichtet, die Regeln und Vorschriften des Landes einzuhalten.

Das NGO-Arbeitsverbot für Frauen reiht sich ein in eine Liste von immer harscher werdenden Maßnahmen der Taliban. Selbst langjährige Beobachter des Landes fragen sich, weshalb die Taliban-Führung, deren Regierung bisher von keinem Land der Welt anerkannt wird, durch ein derartiges Vorgehen noch weitere Isolation und noch mehr Armut der Bevölkerung in Kauf nimmt. Manche erklären dies damit, dass sich bei den Taliban zunehmend die Hardliner durchsetzen und die Pragmatiker, die eine Annäherung an den Rest der Welt suchen und Wandel unterstützen, ins Hintertreffen geraten.

Unmut in der Bevölkerung wächst

Der Universitätsdozent und Aktivist Obaidullah Bahir schrieb auf Twitter, es gebe keine Garantie, dass eine Einstellung der internationalen Hilfen in Afghanistan die Politik der Taliban ändern werde. Auch für religiöse Argumente seien sie nicht zugänglich. "Jene, die bei den Taliban die Entscheidungen treffen, kennen die Konsequenzen ihrer Handlungen ganz genau, und sie finden, sie selbst sind die höchste Autorität in religiösen Fragen. Es gibt nicht viel, was jemand von außen tun könnte, um sie zu beeinflussen."

Es bleibt laut Bahir nur eine radikale Reform innerhalb der Taliban - oder die Menschen im Land drängen die Islamisten etwa mit zivilem Ungehorsam zurück. Ungeachtet großer Gefahr von Repressionen haben sich im Land zuletzt etwa Studenten mit ihren verbannten Kommilitoninnen solidarisch gezeigt, indem sie Prüfungen geschlossen verließen. Dutzende Uni-Lektoren legten aus Protest ihr Amt nieder. In mehreren Städten gab es kleine Demonstrationen.

In all den Schocks der vergangenen Tage sieht Bahir aber auch etwas Gutes. Dass all diese Rechte in kurzer Abfolge weggenommen worden seien, helfe. "Wären sie subtil und schrittweise angegangen worden, hätte die Empörung vielleicht nicht die Dynamik gehabt, die sie hat."

(APA/Reuters)

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