Landwirtschaft

Beantragte Pestizid-Notfallzulassungen liegen auf Eis

Herbstarbeiten in der Landwirtschaft
Herbstarbeiten in der Landwirtschaft(c) dpa (A3464 Rainer Jensen)
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Nach der unerwarteten Entscheidung des EuGH, die Notzulassung von verbotenen Pestiziden zu verbieten, werden in Österreich Anträge zunächst nicht weiter bearbeitet – vor allem Zuckerrübenbauern freut dies nicht.

Unmittelbar nach Bekanntwerden der Entscheidung war für den niederösterreichischen Bauernbund die Sache trotzdem klar: Das Urteil der europäischen Höchstrichter könne für Österreich nicht gelten, zumal Ernährungssicherheit Verfassungsrang habe, so die Bauernvertreter.

Kurz zuvor war am Donnerstag das Urteil des Europäischen Gerichtshof gefällt worden, die die Notzulassung verbotener Mittel in der Landwirtschaft als nicht rechtmäßig einstuft. Der EuGH hat Gesundheit und Umweltschutz Vorrang eingeräumt.

Den Stein ins Rollen gebracht hat dies das „Pesticide Action Network“ (PAN), das ein Verfahren in Belgien gestartet hatte, um gegen die Notzulassung verbotener chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel vorzugehen. Konkret geht es dabei um Neonicotinoide. Hier sind fünf Wirkstoffe im Umlauf, von denen nur noch einer angewendet werden darf. Drei wurden verboten, weil sie für Bestäuber (Bienen) extrem toxisch sind, eine vierte Substanz, weil sie für den Menschen gefährlich ist.

Trotzdem wurden diese Substanzen in vielen Ländern eingesetzt – dies wurde möglich durch eben diese Notzulassungen. Die Möglichkeit dazu sieht das einschlägige EU-Recht vor, um Mitgliedsländern einzuräumen, im Falle von Extremsituationen reagieren zu können. Eine Notzulassung sei für maximal 120 Tage dann rechtskonform, „sofern sich eine solche Maßnahme angesichts einer anders nicht abzuwehrenden Gefahr als notwendig erweist“.

Lockere Hand bei Ausnahmen

In der Begutachtung derartiger Situationen sind vor allem die nationalen Behörden am Zug; die entsprechenden Entscheidungen werden wohl nach Brüssel übermittelt, aber meist abgesegnet. Die Recherchen von PAN zeigen allerdings, dass die Notfallzulassungen eher locker ausgestellt worden sind: Laut PAN seien zwischen 2019 und 2022 in der EU 236mal verbotene Pestizide erlaubt worden – unter ihnen auch die vier Neonicotinoide. Der Anteil Österreichs war dabei überproportional.

Mit dieser Praxis ist vorerst Schluss: „Die rechtliche Klärung steht noch aus“, sagt dazu Roland Achatz, Sprecher des Bundesamts für Ernährungssicherheit (BAES). Es sei nun die EU-Kommission am Zug, die darlegen müsse, wie künftig die Ausnahmeregelung in der Praxis konkret angewandt werden dürfe.

„Vor dieser Klärung kann es keine weitere Notzulassung geben, das wäre rechtlich nicht möglich.“ Zu klären bleibt,ob es dabei nur um die Neonicotinoide gehe, oder auch um andere verbotene Pestizide. Auch aus dem Landwirtschaftsministerium hieß es, dass zunächst die Kommission am Zug sei, dann das Bundesamt.

Obgleich am Freitag eine offizielle Bestätigung dafür nicht zu bekommen war, so haben Recherchen der „Presse“ die solide Erkenntnis gebracht, dass es jetzt mehr als zehn Anträge auf Notzulassungen gebe. Einer davon betrifft den Anbau von Zuckerrüben. Diese Anträge liegen nun auf Eis.

„Notsituation nicht absehbar“

Für Helmut Burtscher-Schaden, Biochemiker von „Global 2000“, sind die Ausnahmegenehmigungen auch aus einem anderen Grund wenig nachvollziehbar gewesen: „Ausgebracht werden die Pestizide durch Bestreichen der Samenkörner zu einer Zeit, zu der sich überhaupt nicht abschätzen lässt, ob ein Schädlingsbefall zu befürchten ist und wie stark der ist; also nicht klar war, ob es eine Notsituation überhaupt gibt.“

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