Immobilien

So verliert Ihr Eigenheim an Wert

(Symbolbild)
(Symbolbild)(c) IMAGO/Zoonar
  • Drucken

Auf dem Immobilienmarkt trennt sich nun die Spreu vom Weizen. Ein großer Teil des Immobilienvermögens ist möglicherweise weit weniger wert, als es deren Besitzer derzeit noch annehmen.

Um 20 Prozent ist der Preis für eine durchschnittliche Wohnimmobilie zwischen 1993 und 2009 (inflationsberücksichtigt) in Österreich gefallen. Aber wer kann sich schon noch an eine Zeit erinnern, als Zinsen völlig normal waren? Um auf die Sprünge zu helfen: Im Jahr 2000 lag der Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) bei 4,75 Prozent. Seit 2011 senkte die EZB stetig die Zinsen und machte Geldleihen so billig und damit Immobilien so attraktiv wie noch nie. Marktteilnehmer vernachlässigten fast blind Investitionsrisken und Kosten, die ein Eigenheim mit sich bringt. Warum auch nicht? Durch die rasanten Preissteigerungen war fast alles ein gutes Geschäft. Noch immer wird fast religiös an steigende Immobilienpreise geglaubt.

Doch steigende Zinsen, hohe Inflationsraten und komplexe Modernisierungsauflagen setzen dem hiesigen Immobilienmarkt inzwischen kräftig zu. Wobei es nicht mehr den einen österreichischen Immobilienmarkt gibt. Die Spreu trennt sich vom Weizen. Ein großer Teil des auf 37,1 Milliarden Euro geschätzten Immobilienvermögens der Österreicher und Österreicherinnen ist möglicherweise weit weniger wert, als es deren Besitzer derzeit noch annehmen.

Wie sieht die Situation also im Detail aus?

So könnten Bestandsimmobilien heuer an Wert verlieren, während sich die Preise bei Neubauten noch stabil zeigen. Schwer verkäufliche Immobilien entsprechen beispielsweise nicht mehr den aktuellen Anforderungen von Nachhaltigkeit, oder sie liegen abgelegen, in Regionen mit hoher Abwanderung.

Mit dem Erneuerbaren-Wärme-Gesetz kommen zusätzliche Kosten auf die Eigentümer zu. Dieses sieht den Ausstieg aus Gasheizungen bis 2040 und aus Ölheizungen bis 2035 vor. „Heute sind Energiekosten, welches Heizungssystem verwendet wird und wie ausfallsicher dieses ist, zentrale Themen bei den meisten Vermietungs- und Verkaufsgesprächen“, sagte Karina Schunker, Geschäftsführerin der EHL Wohnen, beim jüngsten Ausblick. „Energieeffiziente Objekte mit einem hohen Anteil eigener Energieproduktion haben einen Wettbewerbsvorteil.“

Auch jüngste Zahlen des Immobiliendienstleisters Remax deuten darauf hin, dass der Markt auseinanderdriftet. Dem Ausblick für 2023 zufolge sind Wohnobjekte in Einzellagen nicht mehr „ganz so begehrt“. Die Nachfrage nach Wohnobjekten mit erheblicher Distanz zum Nachbarn werde heuer um 6,2 Prozent einbrechen. Gleichzeitig wachse das Angebot. Die Preiserwartung für Einzellagen, die für 2022 mit plus 8,2 Prozent quasi durch die Decke ging, stürzt für 2023 wie jene der Einfamilienhäuser um 13,7 Prozentpunkte auf minus 5,5 Prozent ab.

Eine Frage des Angebots

Schon im vergangenen Jahr zeichnete sich in manchen Bundesländern eine erste Tendenz nach unten ab. Zwar lag im ersten Halbjahr 2022 der Gesamtwert der verkauften Einfamilienhäuser so hoch wie nie zuvor. Den größten Zuwachs verzeichnete die Steiermark. Jedoch in Oberösterreich ging er schon um elf Millionen Euro zurück und in Tirol sogar um 35 Millionen Euro. Bei den Eigentumswohnungen wurden ebenfalls Zuwächse für die Steiermark, Niederösterreich und Salzburg verzeichnet, hingegen aber Rückgänge für Wien, Oberösterreich und Tirol.

Insgesamt dürfte es 2023 vor allem für Wohnungen und Häusern im mittleren Preissegment schwierig werden, Käufer zu finden. Die Mittelschicht, die Immobilien zur Eigennutzung kauft, ist von der strengen Kreditvergabe und höheren Zinsen am stärksten betroffen. Schon im Herbst brach die Neuvergabe von Krediten um die Hälfte weg. Das betrifft überwiegend Immobilien im Bereich 300.000 bis 700.000 Euro, also das klassische Einfamilienhaus.

Eine hohe Zahl von Fertigstellungen von Projekten aus den Jahren 2019 bis 2021 sorgte mit ca. 19.000 für einen Rekordwert bei den neu auf den Markt kommenden Wohnungen. Demgegenüber steht ein Nachfrageeinbruch von elf Prozent laut Remax. Somit liegen die Preiserwartungen des Maklerbunds für heuer bei minus 6,8 Prozent.

Weniger dramatisch sieht es der Österreichische Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI). Er erwartet eine moderate Entwicklung, möglicherweise eine vorübergehende Stagnation, aber keinen nachhaltiger Wertverlust. Der ÖVI-Vorstand und Immobiliensachverständige Andreas Wollein rechnet mit längeren Verkaufszeiten. Die Nachfrage zeige sich kurzfristig zurückhaltend bzw. abwartend. Der ÖVI sieht noch Potenzial: Österreich hat eine Eigentumsquote von weniger als 50 Prozent, europaweit sind es 70 Prozent.

Wertverlust bei Leerstand

EHL-Wohnexpertin Schunker geht davon aus, dass ab der zweiten Jahreshälfte zu wenig neue Wohnungen auf den Markt kommen bei gleichzeitigem Bevölkerungszuwachs. Für das erste Halbjahr 2023 erwartet sie keine Preiszuwächse, was sich ab dem zweiten Halbjahr aufgrund der Angebotsverknappung anders darstellen könnte.

Unabhängig von der allgemeinen Marktentwicklung können Immobilien an Wert verlieren, vor allem, wenn sie leer stehen. Bei Häusern kann ein Verlust von bis zu fünf Prozent pro Jahr schlagend werden, abhängig von Alter und Zustand. Vor allem für Heizanlagen, aber auch Wasser, Kanalgebühr oder Rauchfangkehrer fallen Kosten an. Bei längerem Leerstand drohen noch höhere Aufwendungen, z. B. für Instandhaltungsmaßnahmen wie Reparaturen an den Fenstern oder am Dach.

Wohnungen verlieren durch Leerstand zumeist weniger stark an Wert als Häuser. So spart man sich das Heizen, da die Abwärme der anliegenden Wohnungen Frostschäden verhindert. Sehr häufig kommt es allerdings bei mangelnder Belüftung zu Schimmelbildung, nicht gespülte Siphons trocknen aus und bilden Gerüche, oder Ameisen und Mäuse machen sich breit. Beschließt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Sanierungsmaßnahmen und reichen die Rücklagen nicht aus, ist man gezwungen, zur Sanierung beizutragen.

Daher gilt es, sich rechtzeitig von ungenützten Objekten zu trennen, bevor der Wertverlust des Gebäudes die Wertsteigerung des Grundstücks, auf dem es errichtet worden ist, übersteigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2023)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Der Markt verändert sich. Das hat Auswirkungen auf die Mietpreise.
Immobilien

Sind die Mieter die Gewinner der Immobilien-Flaute?

Immobilien zu bauen, zu finanzieren und zu unterhalten wird immer teurer. Die Nachfrage nach Eigentum sinkt Maklern zufolge. Könnte davon der Mietermarkt profitieren?
Sparen für den Wohnraum – ein lange abgeschriebenes Modell kehrt zurück.
Analyse

Wie viel die Banken nun fürs Bausparen bieten

Bausparen galt lange als spießig und fad. Jetzt, mit steigenden Zinsen, kommt das Modell zurück, und die Nachfrage steigt sprunghaft an. Wie attraktiv ist es wirklich? Wie viel kann man für sich – oder seine Kinder – gewinnen?
Seit 2020 verzeichnet Niederösterreich einen verstärkten Zuzug in ländliche Regionen.
Landtagswahl

Niederösterreich: (Alb-)Traumland für Häuslbauer

Ein Haus im Grünen schwebt vielen Jungfamilien vor, die deswegen nach Niederösterreich ziehen. Doch ein Eigenheim ist teuer – und führt nicht selten in die Abgeschiedenheit.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.