Videospiele

“Forspoken“: Alice im Zombieland

Die Protagonistin Frey Holland
Die Protagonistin Frey HollandSquare Enix
  • Drucken

Magie, Mut und Tragik, was braucht eine gute Heldinnenreise mehr? Das Action-Rollenspiel “Forspoken“ überzeugt in der Erzählung, schwächelt aber ein wenig in den Details.

Ein grünes Kätzchen mit Hörnern gefällig? Oder doch lieber ein rosafarbenes mit Feenflügeln? Nein, die Rede ist nicht von „Pokémon“, sondern von den Maskottchen der „Tantas“ im Rollenspiel (RPG) „Forspoken“, das am 24. Jänner erschienen ist. Gesammelt werden können die flauschigen Begleiter aber trotzdem, wie so ziemlich alles in dem neuesten Coup der Entwickler von „Luminous Productions“.

Ein Spiel über weissagende Katzen-Tanten also? Nicht ganz. Die „Tantas“ sind mächtige Matriarchinnen, die dem Wahn verfallen sind. Besser gesagt dem „Bruch“, einer Art magischer Seuche, die Körper und Geist angreift. Von „Athia“, dem einstigen Imperium der vier Herrscherinnen, ist nicht mehr viel übrig geblieben. Es wird von „Bruch-Zombies“ bewohnt – Menschen, die sich durch die Krankheit in Monster verwandelt haben.

Tanz mit der Psyche

Das Land ist dem Untergang geweiht, wären da nicht – natürlich – die Spielerinnen und Spieler. Diese schlüpfen in die Rolle von Frey Holland, einer jungen New Yorkerin, die mit ihrem Leben wenig anzufangen weiß. Aufgewachsen bei Pflegeeltern, entwickelt sie schon früh einen Hass auf die Welt und ihre biologischen Eltern, von denen sie sich verstoßen fühlt. Durch ihre Wut gerät sie in die falschen Kreise, schuldet zwielichtigen Leuten Geld und landet schließlich vor Gericht.

Frey ist das Klischee einer gescheiterten Existenz. So weit, so gut, aber: Sie ist auch schwarz. Für diese Kombination mussten die Entwickler viel Kritik einstecken. Freys rüpelhaftes Verhalten, ihre Kraftausdrücke und ihre kriminelle Ader würden zur Weiterverbreitung von Stereotypen über die schwarze Community in den USA beitragen, finden Kritikerinnen und Kritiker. Das sei insbesondere schade, weil starke, weibliche Hauptfiguren und People of Color in Videospielen rar sind.

Dass „Luminous Productions“ Inspiration in Aloy, der gefeierten Heldin der Erfolgs-Reihe „Horizon“ gezogen hat, ist unschwer zu erkennen. Frey ist genauso eigenwillig und mutig wie Aloy, allerdings weniger liebenswürdig und ehrenhaft. Ihre trotzige Art macht sie zur idealen Antiheldin, die im Laufe der Geschichte eine ordentliche Entwicklung durchmacht und dennoch authentisch bleibt. Leider war der Blick der Entwickler auch hier nicht frei von Stereotypen. So kann Frey etwa „Nageldesigns“ und schöne Halsketten sammeln, die ihre Fähigkeiten verbessern.

Der Stoff aus dem Alpträume sind

An Klischees mangelt es auch im weiteren Verlauf von „Forspoken“ nicht, auch wenn diese weniger problematisch sind. Freys Geschichte wird zu einer klassischen Heldinnenreise, als sie einen sprechenden Armreif findet, der sich an sie bindet und sie nach „Athia“ teleportiert. Dort ist die junge Frau gezwungen, sich Dämonen zu stellen – sowohl echten als auch ihren eigenen. Als einziges Lebewesen, dem der Bruch nichts anzuhaben scheint, liegt die Hoffnung des gesamten Reichs auf Frey. Keine leichte Aufgabe für eine Figur, die sich selbst als Versagerin sieht.

Hier entpuppt sich „Forspoken“ als psychologisches Kammerspiel. Frey ist hin- und hergerissen zwischen ihrem Hass auf sich selbst und die Gesellschaft und dem guten Gefühl, endlich eine Aufgabe zu haben. Zum ersten Mal seit langem, ist sie auch gezwungen, Beziehungen aufzubauen: Der freche, magische Armreif redet ihr nämlich ordentlich ins Gewissen, wenn sie sich in die Opferrolle begeben oder aufgeben möchte. Auf der PlayStation 5 wirken diese Schlagabtäusche besonders fulminant. Die Stimme des Armreifs kommt direkt aus dem Controller, sodass der Eindruck entsteht, das Schmuckstück selbst zu tragen. Aber auch die Windows-Version überzeugt, mit atmosphärischem Sound, der einem die Härchen im Nacken zu Berge stehen lässt.

Die mächtigen Tantas sind enger mit Frey verbunden, als es anfangs vielleicht scheinen mag.
Die mächtigen Tantas sind enger mit Frey verbunden, als es anfangs vielleicht scheinen mag.Square Enix

Von Sammlern und Jägern

Ein „Feelgood-Spiel“ ist „Forspoken“ wahrlich nicht. Das unangenehme Gefühl, das Spielerinnen und Spieler bei Anblick der dystopischen Welt von „Athia“ bekommen, wird durch gruselige Hintergrundmusik und die wankenden „Bruch“-Zombies noch verstärkt. Für Fans der „Resident Evil“-Reihe sind die wahrscheinlich niedlich anzusehen, weniger hart gesottenen Spielerinnen und Spielern könnten sie aber durchaus einige schlaflose Stunden bescheren. Kein Wunder also, dass das Spiel eine Pegi-Altersempfehlung ab 18 Jahren erhalten hat.

Immerhin: Mit der Zeit sind die Monster für Freys Magie keine Herausforderung mehr. Im Laufe des Spiels erlernt sie eine Vielzahl verschiedener Fähigkeiten. Diese sind ein Garant für actionreiche Kämpfe, die auch nach über 30 Spielstunden nicht langweilig werden. Insgesamt ist „Forspoken“ aber wohl eher etwas für die Sammler, als für die Jäger. Abgesehen von den Katzen, die Frey nach ausreichender Überzeugungsarbeit (anschleichen und vorsichtig streicheln) in ihrem Unterschlupf besuchen, sind Unmengen an Ausrüstung und Schätzen in der Welt versteckt. Wer möchte, kann auch Wollknäuel, Katzengras und Kratzbäume für die Miezen erstehen.

Manche Monster in "Forspoken" sind nicht das, was sie zu sein scheinen.
Manche Monster in "Forspoken" sind nicht das, was sie zu sein scheinen.Square Enix

Bruchlandungen für „Spiderwoman"

Frey hat in Forspoken eine Vielzahl von magischen Fortbewegungsmöglichkeiten zur Verfügung, wie eine Warp-Funktion, mit der sie sich von Punkt zu Punkt hangeln kann. Diese könnte wie in „Horizon" viel Spaß machen könnte. Leider ist sie aber zu ungenau und sorgt statt „Spiderman-Feeling“ für viele frustrierende Bruchlandungen. Auch dass nicht alle Felswände einfach beklettert werden können, lässt Frust und Erinnerungen an „Skyrim“ aufkommen, wo Spielerinnen und Spieler oft Stunden damit zubringen mussten, die richtige Stelle zum Erklimmen eines Berges zu finden.

Es sind Kleinigkeiten, die „Forspoken“ den Titel eines großartigen Action-RPGs kosten. Der Hersteller hat bereits wenige Tage nach Release ein großes Patch für „Forespoken“ angekündigt. Das sollte bei satten 79,99 Euro Kaufpreis auch drinnen sein. Trotz des verschobenen Releases wirkt das Spiel unausgereift und wird der starken Geschichte nicht ganz gerecht. Schuld daran ist die leere Landschaft, die zum Teil auch der Zerstörung durch die Seuche geschuldet ist, aber durchaus auch wirkt, als wäre sie lieblos gestaltet worden.

Bei „Valkyrie Elysium“, dem letzten Release aus dem Hause „Square Enix", war es bereits ähnlich - sehr zum Unmut vieler Fans, die sich schon lange wieder abgerundete, abwechslungsreiche Welten wie in älteren Spielen des Herstellers wünschen. Um an den Erfolg der Reihe anknüpfen zu können, bräuchte es jedoch etwas mehr Liebe zum Detail. „Forspoken“ ist ein modernes „Alice im Wunderland“, das auch schwierige Themen wie Suizidgedanken gekonnt aufgreift. Die packende Geschichte hat eine ausgeklügelte und ansprechende Spielewelt verdient. Mit etwas Feinschliff könnte aus „Forspoken“ aber noch ein großartiges Franchise werden.

Square Enix

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Die Coronapandemie hat die Entwicklung von Spielen wie  „Final Fantasy XVI“, „Starfield“ oder „Hogwarts Legacy“ stark zurückgeworfen.
Videospiele

Was versprochen wurde: Das sind die Rollenspiel-Highlights 2023

Im letzten Jahr wurde an der Gaming-Front einiges verschoben. 2023 winkt daher eine Mischung aus »Alt« und Neu. Die Spiele-Highlights des Jahres sind vielversprechend.
Die Coronapandemie hat die Entwicklung von Spielen wie  „Final Fantasy XVI“, „Starfield“ oder „Hogwarts Legacy“ stark zurückgeworfen.
Videospiele

Was versprochen wurde: Das sind die Rollenspiel-Highlights 2023

Im letzten Jahr wurde an der Gaming-Front einiges verschoben. 2023 winkt daher eine Mischung aus »Alt« und Neu. Die Spiele-Highlights des Jahres sind vielversprechend.
Spiele wie "Final Fantasy X" entführen in fantastische, neue Welten und eröffnen so Perspektiven.
Videospiele

In fremde Welten entgleiten: Die besten Videospiele für Eskapismus

Eskapismus muss nicht zwingend negativ sein. Manchmal kann die eigene Lebensrealität so überwältigend sein, dass ein Ausweg in die Welt der Fiktion Abhilfe schafft. Computerspiele sind eine Option.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.