Mandatare

Die Politik der Bierpartei

Parteichef Dominik Wlazny alias Marco Pogo (l.) und Maximilian Hammel, Bezirksrat in Rudolfsheim-Fünfhaus, vor einem Lkw mit der Parteifarbe.
Parteichef Dominik Wlazny alias Marco Pogo (l.) und Maximilian Hammel, Bezirksrat in Rudolfsheim-Fünfhaus, vor einem Lkw mit der Parteifarbe.(c) Jana Madzigon
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Seit der Bundespräsidentenwahl erreicht die Bierpartei unter Dominik Wlazny gute Umfragewerte. Aber was machen deren Abgeordnete den ganzen Tag?

Hier im tiefsten Simmering, nahe den Wiener Gasometern, steht ein graues Bürogebäude, das schwer zu finden ist. Nur wenige kennen den kurvigen, verschlungenen Weg in diese Industriezone, in der das Gebäude in einem unscheinbaren Innenhof versteckt ist. Während die etablierten Parteien mit einer repräsentativen Parteizentrale an einem urbanen, innerstädtischen Ort glänzen, wirkt das graue Gebäude fast wie eine Antithese dazu.

Was offenbar auch gewollt ist. Hier ist „Pogos Empire“ – also der Sitz der 2015 gegründeten Bierpartei unter der Führung des Musikers, Arztes, Kabarettisten und Parteichefs Dominik Wlazny, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Marco Pogo. Anfangs nur als Spaßpartei wahrgenommen, hat Wlazny die Bierpartei zu einem politischen Faktor geformt.

Der Antritt zur Nationalratswahl 2019 brachte der Bierpartei noch wenig. Sie kam auf 0,6 Prozent in Wien und 0,1 Prozent österreichweit. Doch bei der Wien-Wahl 2020 eroberte „Bier“, wie sich die Partei auf dem Stimmzettel bezeichnet, Sitze in elf Wiener Bezirksparlamenten. Den endgültigen Durchbruch schaffte die Bierpartei mit der Kandidatur Wlaznys bei der Bundespräsidentenwahl, wo er österreichweit an dritter Stelle landete. In Wien schaffte Wlazny sogar Platz zwei hinter Alexander Van der Bellen. Danach wurde es ruhig.

Für Aufsehen sorgen nun aktuelle Meinungsumfragen, wonach die Bierpartei den Einzug in den Nationalrat und in den Wiener Gemeinderat schaffen würde. Diese Wahlen sind regulär erst im Herbst 2024 bzw. im Jahr 2025. Aber die Fähigkeit Wlaznys, gerade junge Wähler anzusprechen und als einziger Politiker Österreichs als cool und hip zu gelten, sorgt für Aufsehen. Auch weil Wlazny den Parteien im linksliberalen Sektor Wähler abnimmt. Vor allem für die Grünen könnte es unangenehm werden, vertritt die Bierpartei doch ähnliche Positionen. Nur dass sie als unverbraucht gilt.

Das führt zu der Frage: Was machen Bierpartei und deren Mandatare den ganzen Tag? Wie ernsthaft betreiben sie Politik? Wie ist die Zielsetzung und die politische Ausrichtung jener Gruppe, die (nicht nur) die Wiener Parteienlandschaft durcheinanderwirbeln könnte? Immerhin könnte die Bierpartei, die durch Wlaznys Kandidatur bei der Bundespräsidentenwahl österreichweit bekannt wurde, auch bei der nächsten Nationalratswahl antreten.

Wer „Pogo's Empire“ betritt, stolpert zuerst über eine Palette „Turbobier“, die mitten im Gang liegt. Das klingt nach Klischee, aber Wlazny ist auch Geschäftsmann und vermarktet (neben seiner gleichnamigen Band) auch sein „Turbobier“ geschickt. Zum Gespräch mit der „Presse am Sonntag“ ist neben Wlazny auch Maximilian Hammel gekommen, seines Zeichens Bezirksrat in Rudolfsheim-Fünfhaus und Mitglied des Parteivorstandes.

Das Marketing der Partei ist gut durchdacht. Mit Anträgen im Bezirksparlament für die „rasche Verbannung von Biermischgetränken aus dem öffentlichen Raum“ sichert sich die Gruppe um Wlazny öffentliche Aufmerksamkeit und jede Menge PR. Aber wie agiert sie als politische Partei in den Mühen der Bezirkspolitik – nachdem sich der Hype nach der Bundespräsidenten-Wahl wieder beruhigt hat?

Kleine Truppe. „Man kann das mit der Arbeit einer Lehrerin oder eines Lehrers vergleichen“, sagt Hammel: „Man kann seine Zeit absitzen, man kann sich aber auch voll engagieren, mit anderen Parteien austauschen und mit der Bevölkerung reden.“ Nachsatz: „Wir sind eine kleine, aber sehr motivierte Truppe.“ Um Transparenz zu schaffen, werden Anträge in den Bezirken auf der Internetseite der Bierpartei veröffentlicht. „Es hat dabei viele Erfolge gegeben“, erklärt Hammel. „Ein erster großer Erfolg war das höhere Budget für Musikschulen in der Donaustadt. Eine gute Sache!“, ergänzt Parteichef Wlazny: „Es geht um Kommunalpolitik. Die Themen sind mannigfaltig, oft aber sehr verkehrslastig.“ Denn das liege in der Entscheidungsgewalt der Bezirke.

Mit ihren Anträgen positionieren sich die Abgeordneten der Bierpartei politisch klar – beispielsweise „dass etwas für nicht-binäre Kinder in den Schulen getan wird“, erklärt Wlazny. Womit die Bierpartei links der Mitte zu verorten wäre. Dazu passt, dass die Bierpartei am Montag Mitorganisator einer Solidaritätsdemo für jene Schüler war, die von FPÖ-Politiker Gottfried Waldhäusl öffentlich beleidigt worden waren. Und deren Schule danach von Rechtsextremen angegriffen wurde. „Wir machen etwas nicht, weil es Mitte-links, Mitte-rechts, Mitte-oben oder Mitte-unten ist, sondern weil wir etwas für intelligent halten“, meint dazu der Parteichef.

Wie viel Zeit investieren Mandatare der Partei, die bereits 1000 Mitglieder zählt, in die Politik? „Der Job des Bezirksrats ist kein abendfüllendes Programm“, meint Wlazny: „Ich bin noch dazu Parteichef und hauptberuflich Musiker. Das ist der Job, mit dem ich meine Rechnungen zahle.“ Er investiere aber nicht wenig Zeit in die Politik.

Was sich Wlazny allerdings fragt: „Muss jedes Verkehrsthema ein Politikum im Bezirk sein? Oder kann man nicht anderweitig Expertinnen und Experten einbinden?“ Denn die Grabenkämpfe in Simmering seien: Fahrradständer gegen Motorradständer.

Was macht Wlazny mit seinem Erfolg bei der Präsidentenwahl, der sich in Meinungsumfragen niederschlägt? Ein Antreten bei der nächsten Nationalratswahl sei überhaupt nicht fix – es werde erst entschieden, wenn es so weit sei, stellt der Parteichef klar. Die Bundespräsidentenwahl sei kein Probegalopp für eine Nationalratswahl gewesen – selbst wenn ihm das viele Medien nicht glauben würden.

Aber wie wird sich die Bierpartei weiterentwickeln? Die Parteiführung setzt auf ein „langsames, gesundes Wachstum“. Und die Zukunft? „Solang es sich richtig anfühlt, machen wir es“, so Wlazny: „Und wenn es sich nicht mehr richtig anfühlt, machen wir eben etwas anderes.“

Werdegang

Die Bierpartei wurde 2015 gegründet. Parteichef und Aushängeschild ist der Musiker, Kabarettist und Arzt Dominik Wlazny, der unter dem Künstlernamen Marco Pogo auftritt.

2019. Die Partei tritt erstmals bei einer Nationalratswahl an.

2020. Bei der Wien-Wahl schafft die Bierpartei den Einzug in elf Bezirksparlamente.

2022. Bei der Bundespräsidentenwahl erreichte Wlazny österreichweit Platz drei, in Wien sogar Platz zwei vor dem FPÖ-Kandidaten Walter Rosenkranz.

2023. Umfragen sehen für die Bierpartei Werte, mit denen sie ins Parlament und in den Wiener Gemeinderat einziehen würde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2023)

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