Fehlende Fachkräfte

IT-Branche beklagt die „sinnbefreite Planwirtschaft“ an der Uni, die Wohlstand koste

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Obwohl IT-Fachkräfte dringend gesucht werden, gebe es an Hochschulen Zugangsbeschränkungen, kritisieren Experten und Wirtschaftsvertreter. Sorge bereiten der Branche die vielen Drop-outs.

Der internationale Wettlauf um Fachkräfte ist im vollen Gang. Nun will Deutschland die Zuwanderung von IT-Experten aus Indien deutlich ausbauen, kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kürzlich bei einem Besuch in der südindischen Tech-Metropole Bangalore an. Die begehrten Fachkräfte sollen rascher und unbürokratischer Visa erhalten. Es brauche viele Fachkräfte, um den Bedarf an Software-Entwicklung zu decken, sagte Scholz.

Während die Verfügbarkeit von Arbeitskräften für manche Branchen erst jetzt akut wird, schlägt man sich damit in der IT seit vielen Jahren herum. Das Problem: Ein Kellner oder Abwäscher in der Gastronomie ist bei Bedarf vergleichsweise schnell geholt. In der IT aber braucht es Menschen mit einer spezifischen Ausbildung – wenn es sie nicht gibt, gibt es sie einfach nicht. Punkt.

Viele Drop-Outs, viele Job-Outs

24.000 Programmierer und andere Menschen mit IT-Fähigkeiten würden derzeit in Österreich fehlen, und es würden laufend mehr, klagt die Branche. Besonders die hohe Zahl an Studienabbrechern bereitet den Wirtschaftsvertretern Sorge. Die Drop-out-Quote in den Masterstudien Informatik betrug zuletzt 48 Prozent. Dies sei zumindest teilweise durch „Job-outs“ zu erklären – also die gängige Praxis, dass junge Talente noch vor dem Studienabschluss von Unternehmen abgeworben werden. Aber in den Bachelorstudien liege die Quote bei 43 Prozent. Das sei besonders schmerzhaft, weil davon auszugehen sei, dass diese Abbrecher die Branche verlassen.

„Die Studierenden, die abbrechen, sind genau die IT-Expertinnen und -Experten, die den Unternehmen am Ende fehlen“, sagt Martin Zandonella aus der IT-Branchenvertretung in der Wirtschaftskammer. Die Zahl der Studienabbrecher im Bereich Informatik habe zwar leicht abgenommen. Sie liege aber immer noch deutlich über dem Durchschnitt aller Studiengänge in Österreich. Da betrage die Abbrecherquote 38 Prozent, zeigen die Zahlen des Kärntner Instituts für Höhere Studien, das den Fachkräftemangel in der Branche berechnet hat.

Problematische Zugangsbeschränkungen

Ein Problem seien auch die Zugangsbeschränkungen. Es sei gesamtwirtschaftlich schwer zu argumentieren, warum gerade in Bereichen, in denen viele Beschäftigte fehlen, an den Universitäten ausgesiebt werde, kritisiert Studienautor Norbert Wohlgemuth. Und liefert die Zahlen: An der Universität Wien waren im Studienjahr 2021 488 Personen in der Studienrichtung Informatik und Kommunikationstechnologie zu einem Aufnahmeverfahren angemeldet. Angetreten sind schließlich 340, mit 305 wurden fast alle zugelassen. Eine deutlich größere Diskrepanz gibt es an der Technischen Universität Wien. Dort waren zuletzt 1065 Personen zur Zulassungsprüfung angemeldet, angetreten sind 882 und genommen wurden 670.

Interessant ist, dass Wien den Branchenvertretern zufolge das einzige Bundesland Österreichs ist, in dem für das Informatikstudium Aufnahmetests stattfinden. Durch diese Zugangsbeschränkungen entgehe der Branche „ein gewisses Potenzial“, sagt Wohlgemuth. Generell brächten die Fachhochschulen mehr IT-Absolventen hervor als die Universitäten, obwohl sie deutlich weniger Studierende hätten (7120 zu rund 18.000). Wohlgemuth spricht in Bezug auf die Zugangsbeschränkungen an den Universitäten von einer „sinnbefreiten Planwirtschaft“. Dadurch würde Jahr für Jahr ein erheblicher Verlust an Wertschöpfung entstehen.

Der Branchenverband Ubit fordert daher, dass die Ausbildung im IT-Bereich so umgestaltet wird, dass die Abbruchquote zurückgehe. Schon eine Senkung um zehn Prozent, das seien gut 2000 Abbrecher weniger, würde für Österreich zu 350 Millionen Euro mehr an Wertschöpfung führen.

Österreich im OECD-Vergleich nur Mitte

Österreich liegt, wenn man den Anteil der IT-Studien an allen Studien betrachtet, im Vergleich mit anderen Industrieländern lediglich im Mittelfeld (siehe Grafik). Laut dem Bericht zur Branche des Kärntner Instituts für Höhere Studien waren zuletzt gut 18.000 Studienplätze im Bereich Informatik und Kommunikationstechnologie an Österreichischen Universitäten belegt. An Fachhochschulen waren es gut 7100.

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