Ukraine

Putins Ukraine-Besuch im Schutz der Nacht

Putins Propaganda-Show in Mariupol. Erstmals seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat der Kreml-Chef (hier auf einer TV-Aufnahme) das besetzte Gebiet besucht. Der Kriegsherr sprach mit handverlesenen Bürgern, die sich bei ihm bedankten.
Putins Propaganda-Show in Mariupol. Erstmals seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat der Kreml-Chef (hier auf einer TV-Aufnahme) das besetzte Gebiet besucht. Der Kriegsherr sprach mit handverlesenen Bürgern, die sich bei ihm bedankten. APA/AFP/POOL/-
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Der russische Präsident begab sich erstmals seit dem Angriff auf die Ukraine in die eroberte Stadt Mariupol. Am Montag empfängt er im Kreml den chinesischen Präsidenten.

Wien/Moskau. Für Montag hat sich im Kreml ein prominenter Gast angesagt: Xi Jinping, Chinas mächtiger und zuletzt für eine dritte Amtszeit bestätigter Staats- und Parteichef, will in Moskau die Bande zu Wladimir Putin stärken und sich zugleich als Friedensfürst und internationaler Strippenzieher auf der Weltbühne profilieren. Wang Yi, sein außenpolitischer Chefstratege hat kürzlich bei einer Kreml-Visite die Weichen für ein diplomatisches Großmanöver Xis gestellt.

Als Vermittler hat China jüngst eine Annäherung zwischen den Erzfeinden Iran und Saudiarabien zuwege gebracht – und als Zeichen einer neuen geopolitischen Neuorientierung in der Region hat Salman, der saudische König, jetzt den iranischen Präsidenten, Ebrahim Raisi, nach Riad eingeladen. Es wäre eine Sensation, sollte dieser Besuch tatsächlich zustandekommen.

Chinas Freundschaftsdienst

Zunächst geht es in Moskau jedoch um den Ukraine-Krieg und eine Allianz zwischen Russland und China gegen den Westen, vornehmlich gegen die USA. Es ist ein Freundschaftsdienst für Putin, von dem der chinesische Präsident indessen selbst am meisten profitiert. Der Besuch soll zugleich demonstrieren, dass der russische Präsident nicht so isoliert ist, wie der Westen suggeriert und wie dies der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag mit seinem jüngsten Haftbefehl gegen den Autokraten im Kreml kürzlich unterstrichen hat.

Zumindest nach außen hin ließ sich Putin nicht davon beeindrucken, dass sein internationaler Aktionsradius ab sofort erheblich eingeschränkt ist. Zum neunten Jahrestag der Annexion der Krim besuchte Putin Sewastopol, den strategisch so wichtigen Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte, der auch im Ukraine-Krieg eine große Rolle spielt.

Noch mehr Aufsehen erregte der Kreml-Chef aber mit einem ersten Trip in die von Russland besetzten Gebiete. In Mariupol ließ sich Putin als Kriegsherr feiern, der die ukrainische Küstenstadt im Vorjahr nach monatelangen, blutigen Kämpfen erobert hat, bei denen die russischen Truppen weite Teile der Stadt dem Boden gleichgemacht haben. Im Areal des Asow-Stahlwerks hatten ukrainische Einheiten erbitterten Widerstand geleistet.

Putins Propagandabilder

Der russische Präsident lieferte Bilder für die Staatspropaganda. Nach seiner Ankunft im Hubschrauber fuhr er im Auto durch eine Stadt, deren Verwüstungen sich auch durch die Dunkelheit nicht verschleiern ließen. Er suchte den Kontakt zu – handverlesenen – Vertretern der Bevölkerung, die in der Stadt geblieben und nicht wie der Großteil geflohen sind. Demonstrativ bedankten sie sich bei dem Präsidenten.

„Die Menschen beginnen, in die Stadt zurückzukehren“, behauptete Marat Chusnullin, der russische Vizepremier, der Putin begleitete. In Mariupol gebe es wieder Straßenbeleuchtung und Busverkehr. Das Staatsfernsehen zeigte auch den Besuch Putins in der Philharmonie. Nach Darstellung Chusnullins ist zudem ein Universitätsgebäude samt Studentenwohnheim intakt.

Höhnische Reaktion aus Kiew

Im Anschluss begab sich Putin in die russischen Stadt Rostow am Don in der Nähe der ukrainischen Grenze, wo er an einer Sitzung in einer Kommandozentrale für den Krieg in der Ukraine teilnahm. Oberbefehlshaber Waleri Gerassimow, zugleich Generalstabschef, erstattete Bericht über den Gang der Dinge.

Aus Kiew kamen indessen höhnische Reaktionen. „Verbrecher kehren immer an den Tatort zurück“, schrieb Michailo Podoljak, Berater von Präsident Wolodymyr Selenskij. „Der Mörder von Tausenden von Familien in Mariupol kam, um die Ruinen der Stadt und ihre Gräber zu bewundern. Zynismus und mangelnde Reue.“

AUF EINEN BLICK

Das Verteidigungsministerium in Kiew betonte, Putin habe Mariupol im Schutze der Nacht besucht – „wie es sich für einen Dieb gehört“. Er habe es gescheut, die Stadt bei Tageslicht zu sehen, erklärte ein Exilstadtrat. (vier/ag.)Haftbefehl. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) unterstützt den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine. „Österreich wird auch weiterhin alles dafür tun, um den Menschen in der Ukraine Gerechtigkeit zu ermöglichen“, bekräftigte die Justizministerin.

Der im niederländischen Den Haag ansässige Gerichtshof hatte am Freitag Haftbefehl gegen Putin wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine erlassen. Die Ermittler machen ihn für die Verschleppung von Kindern von besetztem ukrainischen auf russisches Gebiet verantwortlich.

Zurzeit hat der Haftbefehl vor allem eine symbolische Bedeutung. Aber der internationale Haftbefehl schränkt Putins Bewegungsfreiheit weiter ein. Sobald er in ein Land reist, das den Vertrag ratifiziert hat, droht ihm die Festnahme. Alle Vertragsstaaten – mehr als 120 – sind verpflichtet, die Haftbefehle auszuführen. Neben Russland erkennen die USA und China das Gericht nicht an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2023)

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