Kolumne

Mit Künstlicher Intelligenz zum Traumjob

Trotzdem Abheben zum Traumjob
Trotzdem Abheben zum Traumjob(c) Getty Images (pinstock)
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Auf zum Traumjob. Folge 48. Endlich ist es passiert. Die Träume vieler Bewerber:innen sich im Bewerbungsprozess von der Künstlichen Intelligenz (KI) die mühevolle Arbeit abnehmen zu lassen ist endlich Wirklichkeit geworden.

Die hauseigene KI durchsucht das Netz nach passenden Stellen für uns. Sobald eine gefunden wird, werden wir am Anfang noch darüber informiert und entscheiden mit „ja" oder „nein", ob die KI dafür eine Bewerbung aufsetzen soll oder nicht.

Nach mehrmaliger Wiederholung kann wahrscheinlich auch das Nachfragen weggelassen werden, weil unser Algorithmus ja ohnehin mitlernt, nach welchen Kriterien wir uns entscheiden. Im nächsten Schritt werden passgenaue Bewerbungsunterlagen erstellt, die natürlich berücksichtigen, welchen Algorithmus die Recruitingabteilung auf der Unternehmensseite verwendet.

Der Versand erfolgt automatisch und ohne Knopfdruck und zum Interview, welches von einem Chatbot geführt wird, schicken wir selbstredend unseren Avatar. Irgendwann werden wir dann darüber informiert, dass wir die Stelle bekommen haben.

Bleibt natürlich noch die Frage offen, ob dann die Künstliche Intelligenz den Traumjob gänzlich übernimmt oder wir ihn tatsächlich noch selber ausführen müssen. So ungefähr könnte ein Zukunftsszenario in puncto Bewerbung aussehen.

Soweit ist es natürlich noch nicht, wenn gleich die aktuellen Entwicklungen die Stellensuche sowie den Bewerbungsprozess verändert haben. Wie soll ein Traumjobsuchender jetzt damit umgehen?

Künstliche Intelligenz im Bewerbungsprozess

Seit Open AI den ChatGPT gelauncht hat, überschlagen sich förmlich die Ereignisse und eine Sensationsmeldung jagt die andere. Angeblich hat es eine künstliche Intelligenz bereits geschafft, einen Bachelorabschluss an einer Universität zu erlangen.

Schon seit längerer Zeit ist bekannt, dass große Tech-Konzerne Künstliche Intelligenz sowohl im Recruiting als auch bei der Kündigung von Mitarbeiter:innen einsetzen. Der Algorithmus kann bei einer Flut von Bewerber:innen weitaus schneller als der Mensch eine gewisse Vorselektion vornehmen.

Im nächsten Schritt entscheidet der/die HR-Mitarbeiter:in dann, zumindest wird das noch behauptet, wer zum Interview eingeladen wird. Bei der Erstselektion vergleicht der Algorithmus die Key-Words in den Bewerbungsunterlagen mit den Key-Words des Jobinserates oder mit anderen vorher festgelegten Parametern.

Demnach würden kreativ formulierte Bewerbungen eher ausgesiebt werden, es sei denn, die Maschine lernt irgendwann auch Kreativität zu erkennen und zu berücksichtigen.

In dieser Hinsicht ist der/die Jobsuchende also gut darin beraten auf das Key-Word-Matching zu achten, wobei das jetzt auch schon der Fall war. Die Erstellung eines Standard-Motivationsschreibens kann mittlerweile getrost an die Künstliche Intelligenz ausgelagert werden, es sei denn, man möchte dem Ganzen eine besonders kreative Note verleihen, was wiederum kontraproduktiv sein kann, wenn auf der anderen Seite ein Algorithmus die Erstsichtung übernimmt.

Diese Veränderung ist aktuell überschaubar, weil viele HR-Manager:innen dem Motivationsschreiben in den letzten Jahren nur mehr sehr geringe Bedeutung beigemessen haben, respektive es gar nicht mehr lasen. Beim Lebenslauf hingegen bleibt derzeit zumindest noch alles beim Alten, weil ohne die Daten der Person kann ChatGPT nur eine unbefüllte Vorlage ausspucken.

An dieser Stelle liefert eine herkömmliche Internet-Recherche noch die weitaus besseren Ergebnisse. Und bei der Erstellung bleibt dem Bewerber trotz Key-Word-Matching noch genügend Raum der eigenen Kreativität freien Lauf zu lassen.

Künstliche Intelligenz als Interviewpartner

Eine weitaus größere Auswirkung auf die Jobsuchenden hat der Einsatz von algorithmusgeführten Interviews. Diese finden online statt und die Künstliche Intelligenz führt ohne menschliche Unterstützung durch das Interview und stellt dem/r Bewerber:in Fragen.

Die Antworten werden dabei auf Video aufgezeichnet und im Anschluss von der KI bewertet. Die Schwierigkeit ist jedoch, dass die Bewerber:innen nicht wissen, nach welchen Kriterien sie bewertet werden. Das ist jedoch meines Erachtens kein Unterschied zu einem herkömmlichen Interview, da die Bewertungsmaßstäbe eines/r Recruiter:in ja ebenfalls nicht bekannt sind.

Der viel schwerwiegendere Vorwurf von auf diese Art interviewten Bewerber:innen ist jedoch, dass sie sich nicht als Menschen wahrgenommen fühlten. Ersterem kann der/die Jobsuchende Abhilfe schaffen, indem man sich vorher beim Unternehmen über die Bewertungsmaßstäbe des Algorithmus erkundigt.

Und selbst die Nicht-Beantwortung dieser Frage wäre ja für den/die Bewerber:in eine interessante Information in puncto Transparenz des Unternehmens. Der zweite Vorwurf der Entmenschlichung ist viel schwieriger zu entkräften.

In dieser Sache empfehle ich meinen New/Outplacement-Kandidat:innen sich ernsthaft zu überlegen, inwieweit sie tatsächlich für ein Unternehmen arbeiten möchten, welches eine derartige Technologie einsetzt. Denn bei all dem technischen Fortschritt drängt sich zunehmend die Frage auf, was bei all der erstrebten Effektivität wir am Ende des Tages mit unserem Menschsein anfangen möchten?

Wenn in ferner Zukunft dann also sämtliche Arbeiten von Maschinen, Computern und Algorithmen übernommen sein werden, werden wir uns dann als sterbliche Gottheiten begreifen, die ähnlich gelangweilt und zynisch wie die Götter im alten Griechenland unser Dasein fristen.

Oder setzen wir unser Menschsein im Arbeitsleben nur mehr pointiert dort ein, wo unsere Eigenheiten und Besonderheiten einen Mehrwert im Vergleich zur Technik schaffen können. Die Entwicklung schreitet mit Sieben-Meilen-Stiefeln voran und während ich schreibe, entsteht vielleicht schon irgendwo der nächste Traumjob.

Gutes Gelingen

Michael Hanschitz

PS: Die Aufgabe, diesen „Auf zum Traumjob"-Artikel zu schreiben, konnte von ChatGPT nicht erfüllt werden, also schreibe ich weiter :-)

Michael Hanschitz ist seit nunmehr 15 Jahren als New/Outplacementberater, Autor und Karrierecoach tätig. Er ist Gründer des Beratungsunternehmens Outplacementberatung (www.outplacementberatung.co.at) und Autor des Buches Menschen fair behandeln. Mit seiner Arbeit unterstützt er Menschen und Organisationen in schwierigen Veränderungsprozessen. Beraten mit Herz und Verstand lautet seine Devise.

Michael Hanschitz
Michael Hanschitz(c) Marek Knopp

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