Ungarns Botschafter: "Nerven liegen blank"

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Ungarns Botschafter in Wien, Szalay-Bobrovniczky, gesteht: Man hätte sich einen anderen Start in die EU-Ratspräsidentschaft gewünscht. Ministerpräsident Orbán war bei seiner Antrittsrede kühl empfangen worden.

Wien/Cd. Die heftigen Vorbehalte, denen sich Ungarn seit Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft ausgesetzt sieht, zeigen Wirkung. „Bei uns liegen die Nerven blank“, sagt der ungarische Botschafter in Wien, Vince Szalay-Bobrovniczky. „Wir hätten uns auch einen anderen Start gewünscht.“ Er gesteht allerdings ein, dass kommunikationstechnisch nicht alles bestens gelaufen sei. Erst am Mittwoch war Ministerpräsident Viktor Orbán bei seiner Antrittsrede vor dem EU-Parlament kühl empfangen und sogar als „Chavez von Europa“ bezeichnet worden.

Ungarn steht wegen seines neuen Mediengesetzes und einer Krisensteuer für vornehmlich ausländische Konzerne unter Kritik. Die EU-Kommission will sich zu beiden Themen äußern. Szalay-Bobrovniczky hofft, dass dies „in unserem Interesse bald geschehen wird, damit wir nicht endlos Verdächtigungen ausgesetzt sind“. Im Fall ernsthafter Bedenken sei man auch zu Änderungen bereit. Noch versteht der Botschafter die Aufregung allerdings nicht. Das Mediengesetz sei nicht strenger als in anderen Ländern, die (sanktionierte) Forderung nach Ausgewogenheit für private Medien hält er für legitim. Als Beispiel nennt er eine von einem US-Server betriebene antisemitische Homepage, der man Einhalt gebieten wollte. Und die stets zitierte 750.000-Euro-Höchststrafe gelte nicht für Fehlverhalten, sondern nur für unerlaubte Kartellbildungen.

Die Krisensteuer, gegen die auch drei österreichische Firmen – Baumax, Spar und OMV – bei der EU-Kommission protestiert haben, bezeichnet Szalay-Bobrovniczky als ökonomisch unabdingbar. Ungarn sei von der EU mit der Defizitgrenze in die Ecke getrieben worden. Boykottaufrufe gegen diese Firmen findet er „grob“, hält sie aber für verständlich. Die ausländischen Unternehmen müssten nach Jahren guter Geschäfte mit den Ungarn Solidarität zeigen. Seine Landsleute stünden finanziell an der Wand: „Weiter geht es nicht mehr.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2011)

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