Die Gefühlswelten im Wiener Fußball

Bundesliga. Rapid hat mit dem Fixieren der Meistergruppe die Trendwende nach turbulentem Herbst geschafft. Auf Stadtrivalen Austria wartet indes doppelter Druck im entscheidenden Derby.

Wien. Zwei Stadtrivalen, zwei Gefühlswelten vor dem 336. Wiener Derby am kommenden Sonntag, das eine Trennlinie zwischen Hütteldorf und Verteilerkreis ziehen könnte. Denn Rapid löste vorzeitig das Ticket für die Meistergruppe, kann also der 22. und letzten Runde des Grunddurchgangs nicht nur entspannt entgegenblicken, sondern gar das Schicksal des Erzrivalen mitbesiegeln. Die Austria nämlich braucht einen Sieg oder Schützenhilfe, um ihren Platz in den Top sechs zu behaupten.

„Es ist ganz wichtig, dass der Druck weg ist“, hielt Rapid-Trainer Zoran Barišić nach dem entscheidenden 2:0-Sieg über WSG Tirol fest. Dass überhaupt so lange um die Meistergruppe gezittert wurde, zählt zu den Nachwehen des turbulenten Herbsts. „Es klingt für viele normal, aber es war alles andere als normal. Wir hatten zu Saisonbeginn enorme Probleme, doch die Jungs haben es geschafft, dass sie sich rauskämpfen“, so Barišić. Denn Fanproteste gegen die Führungsetage und interne Machtkämpfe erschütterten den Klub in seinen Grundfesten und hatten die Rücktritte von Präsident Martin Bruckner sowie Finanzvorstand Christoph Peschek zur Folge. Letztlich musste der grün-weiße „Fußballgott“ Steffen Hofmann ausrücken, um als Geschäftsführer die Wogen zu glätten.

Zur Rettung auf dem Rasen wechselte Barišić im Oktober vom Sportdirektor auf die Trainerbank, als Exprofi (Meister 1996) und dreimaliger Vizemeister in der ersten Amtszeit an der Seitenlinie genießt auch er ein hohes Standing beim Anhang. Die unter Feldhofer virulente Kritik am von Barišić zusammengestellten Kader hat seither nachgelassen, auch weil der 52-Jährige es offenbar besser versteht, das Beste aus seinen Spielern zu kitzeln, wie acht Siege in zwölf Spielen bestätigen.

Sinnbildlich dafür steht Guido Burgstaller, der zwar am Sonntag trotz guter Chancen nicht das Tor traf, aber als der ersehnte Anführer auftrat. „Er zieht die Jungs mit, sein Wort hat unglaubliches Gewicht in der Mannschaft“, lobte der Trainer den Routinier.

Das violette Zittern

Die Austria hingegen befindet sich noch mitten in der Konsolidierungsphase. Die Entlassung des bei Fans beliebten Manfred Schmid hat tiefe Gräben hinterlassen, die in Anbetracht der finanziell prekären Lage noch stärker wirken, wie der überraschende Rückzug von Präsident Frank Hensel deutlich machte. Die Liquiditätsprobleme sollen sich auf rund fünf Millionen Euro belaufen und sorgen dafür, dass bis zur Lizenzvergabe Mitte April wieder die Nerven flattern. Zur finanziellen Gesundung ist sportlicher Erfolg elementar, so ist es auch im eingereichten Budgetplan festgehalten: Europacup-Teilnahme und Spielerverkäufe sollen die violette Kassa füllen.

Den harten Weg dorthin zeigte Neo-Coach Michael Wimmer durch das 1:3 gegen Sturm Graz schonungslos auf: kaum Druck im Pressing, keine Ruhe im Spielaufbau und mit Haris Tabaković allein auf weiter Flur kaum Torgefahr. „Die Meisterrunde ist das Ziel, aber wir haben gesehen, dass noch viel Arbeit auf uns wartet“, resümierte der Deutsche, der die Extrembedingungen bei seiner ersten Cheftrainerstation gelassen sieht. „Druck ist im Fußball immer da.“

Diese Nerven muss seine Mannschaft am Sonntag auf dem Platz beweisen. Andernfalls droht zum dritten Mal die Qualifikationsgruppe. Und die Bundesliga fiele zum vierten Mal in den fünf Jahren seit der Liga-Reform um zwei weitere Wiener Derbys um.

REKORDBESUCH

63.846 Fans wurden bei den sechs Partien der 21. Bundesliga-Runde am Sonntag gezählt. Damit wurde die bisherige Bestmarke für eine Runde seit der Liga-Reform und Aufstockung von zehn auf zwölf Teams im Jahr 2018 (58.679 im Februar 2020) übertroffen.

Die meisten Besucher (19.400) kamen zu Rapids Heimspiel gegen WSG Tirol.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2023)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.