Machtkampf

Dutzende Tote bei Kämpfen im Sudan

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Der Sicherheitsrat der USA, Russlands und der EU fordern ein Ende der Gewalt. Auch UNO-Generalsekretär Guterres schaltete sich ein. Bisher ist von 56 zivilen Todesopfern die Rede.

Bei den schweren Gefechten zwischen Armee und Paramilitärs im Sudan sollen neuen Angaben zufolge mehrere Dutzend Soldaten und Zivilisten getötet worden sein. Eine sudanesische Ärzte-Organisation teilte Sonntag früh über Twitter mit, es gebe mindestens 56 zivile Todesopfer und Dutzende getötete Soldaten. Außerdem seien in Krankenhäusern und anderen Versorgungsstellen knapp 600 Verletzte gezählt worden, von denen Dutzende in Lebensgefahr schwebten.

Die Organisation rief die Armee und die paramilitärischen Gruppe "Rapid Support Forces" (RSF) zu einer sofortigen Waffenruhe auf, um das Leben unschuldiger Menschen zu schützen und Verletzte behandeln zu können.

Zur Beruhigung der Situation hatte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres am Samstag mit dem Anführer der beteiligten paramilitärischen Gruppe telefoniert. Guterres sprach mit RSF-General Mohammed Hamdan Daglo, auch bekannt als Hemeti, wie die UNO mitteilte. Ein Gespräch mit Armeechef Abdel Fattah al-Burhan sollte "so schnell wie möglich" folgen.

Der UNO-Sicherheitsrat forderte in der Nacht auf Sonntag alle Konfliktparteien auf, die Gefechte einzustellen und Gespräche zur Beendigung der Krise aufzunehmen. Außerdem müssten humanitäre Helfer sicheren Zugang bekommen und UNO-Mitarbeiter vor Angriffen geschützt werden, forderte das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen in der Nacht auf Sonntag. In der Stellungnahme wurde das Ziel der "Einheit, Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Integrität der Republik Sudan" betont. Vertreter der USA, Russlands, der EU und anderen forderten ebenfalls ein Ende der Gewalt.

Die sudanesische Ärztevereinigung berichtet am Samstag von Toten auf dem Flughafen der Hauptstadt Khartum, in der nahe gelegenen Stadt Omdurman sowie an drei westlich der Hauptstadt gelegenen Orten. Aus mehreren Stadtteilen Khartums wurde schweres Artilleriefeuer gemeldet. Die Kämpfe fokussierten sich etwa auf den Flughafen, den Präsidentenpalast und den staatlichen Rundfunksender. Panzer und Kampfflugzeuge waren im Einsatz. Der sudanesischen Ärztegewerkschaft zufolge wurden Zivilisten am Samstag am Flughafen der Hauptstadt und im Bundesstaat Nord-Kurdufan getötet.

Widersprüchliche Angaben von Armee und RSF

Armee und RSF machten sich gegenseitig für den Ausbruch der Gewalt verantwortlich. Auch zur Lage im Land machten sie widersprüchliche Angaben. Die RSF erklärte, sie habe unter anderen den Präsidentenpalast und den Flughafen von Khartum eingenommen. Die Armee wies dies zurück. Sie warf den RSF-Kämpfern vor, bei den Auseinandersetzungen ein saudi-arabisches Linienflugzeug in Brand gesetzt zu haben. Ihrerseits will die Armee Luftangriffen auf das RSF-Hauptquartier geflogen haben.

Nach Angaben der saudi-arabischen Fluggesellschaft Saudia wurde ein Airbus A330 in Khartum kurz vor dem geplanten Start nach Saudi-Arabien durch Schüsse beschädigt. Passagiere und Besatzung seien zum Zeitpunkt des Angriffs bereits im Flugzeug gewesen - inzwischen aber seien sie in Sicherheit in der saudi-arabischen Botschaft. Als Konsequenz setzte Saudia alle Sudan-Flüge aus.

RSF-Anführer Mohammed Daglo sagte dem Nachrichtensender Al-Jazeera, Ziel seiner Kämpfer sei die Eroberung aller Armeestützpunkte. Die RSF würden außerdem solange kämpfen, bis "die ehrenhaften Mitglieder der Streitkräfte sich uns anschließen". Die Miliz rief zudem die Bevölkerung auf, sich gegen die Militärregierung zu erheben.

Sofortiger Waffenstillstand gefordert

Zivile Vertreter im Sudan forderten einen sofortigen Waffenstillstand. Sie warnten vor einem "vollständigen Zusammenbruch" des krisengeplagten Landes.

US-Außenminister Antony Blinken äußerte sich "zutiefst besorgt" und forderte beide Seiten auf, "die Gewalt sofort einzustellen". Ähnlich äußerten sich die EU, die Vereinten Nationen, die Afrikanische Union und die Arabische Liga. Das russische Außenministerium erklärte ebenfalls, Moskau sei "ernsthaft besorgt" und fordere sofortige Schritte für einen Waffenstillstand.

In den vergangenen Wochen hatten sich die Spannungen zwischen Armee und RSF verschärft. Hintergrund waren Pläne, die Miliz in die Armee einzugliedern. Der Schritt galt als zentraler Teil des Vorhabens, die Macht im Sudan an eine zivile Regierung zu übertragen.

Al-Burhan ist seit einem Militärputsch im Oktober 2021 der De-facto-Machthaber im Sudan. Er setzte die Regierung ab, die nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Omar al-Bashir 2019 den Übergang zu demokratischen Wahlen leiten sollte. Pro-demokratische Kräfte werfen dem Armeechef vor, die internen Konflikte im Land zu politischen Zwecken zu schüren.

Die nun gegen die Armee kämpfende RSF-Miliz ist aus der Janjaweed-Miliz hervorgegangen, die in Darfur Gräueltaten an der Zivilbevölkerung begangen hatte. Bei der Entmachtung al-Bashirs hatten RSF und al-Burhani noch Seite an Seite gekämpft. RSF-Anführer Daglo wandte sich später allerdings gegen al-Burhan.

(APA)

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