Durchbruch

Wien bekämpft Mangel an Kinderärzten mit neun neuen Zentren

Mutter mit Kind beim Hausarzt
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In Österreich fehlen zahlreiche Kinderärzte. In Wien wird dieser Mangel nun mit einem völlig neuen Konzept bekämpft: Bis Jahresende soll es neun neue Kassen-Einrichtungen für Kinder geben; inklusive langen Öffnungszeiten.

Eltern wissen es aus leidvoller Erfahrung: Die medizinische Versorgung durch Kinderärzte mit Kassenvertrag ist (nicht nur) in Wien problematisch. Es gibt nämlich zu wenige. Derzeit sind auch viele Kassenplätze in Wien unbesetzt, weil sich niemand findet – wegen der unattraktiven Bedingungen. Für Eltern führt das zu langen Wartezeiten auf einen Termin.

Besonders problematisch ist die medizinische Betreuung an Wochenenden oder zu den Randzeiten unter der Woche, wenn offene Ordinationen von Kinderärzten kaum zu finden sind. Nun ist es aber zu einem Durchbruch gekommen: Am Dienstag präsentierten Gesundheitskasse und Ärztekammer ein völlig neues Modell, das die Mangelversorgung beseitigen soll.

Neun Zentren bis Jahresende

Bis Jahresende soll es in Wien neun neue, zusätzliche Zentren für die medizinische Versorgung von Kindern geben – in Form von fünf sogenannten Kindermedizinischen Zentren (KMZ) und vier Kinder-Primärversorgungseinheiten (KPVE). „Wir stehen vor einem Umbruch bei der Versorgung von Kindern“, freute sich Peter Voitl, Kinderarzt und Fachgruppenobmann für Kinder- und Jugendheilkunde in der Wiener Ärztekammer.

Mario Ferrari, Vorsitzender des Landesstellenausschusses der ÖGK in Wien, sprach von einem „zukunftsweisenden Modell“, das sich eignen würde, später auf ganz Österreich ausgerollt zu werden. Wobei betont wurde, dass es bereits genug Interessenten gebe, um Ende des Jahres tatsächlich mit neun Zentren starten zu können.

Bis zu 50 Stunden geöffnet

Der größte Vorteil: Die Kindermedizinischen Zentren werden 40 Stunden in der Woche geöffnet sein, es gibt während der Woche keine Schließtage. Dazu sind zwei Fachärzte (also Kinderärzte) im KMZ mit anderen Gesundheitsberufen unter einem Dach, was Eltern Wege erspart, falls weiterführende Behandlungen von z. B. einem Physiotherapeuten notwendig sind. Falls ein Kinderarzt auf Urlaub ist, befindet sich die Vertretung am selben Ort und hat denselben Zugriff auf die Gesundheitsdaten des Kindes wie der behandelnde Arzt. Dadurch kann die Therapie nahtlos weitergehen.

Unter die Gesundheitsberufe, die sich in den neuen Zentren ansiedeln sollen, fallen beispielsweise Psychologen, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Sozialarbeiter, Lungenfachärzte für Kinder etc.
Bei den Primärversorgungszentren (KPVE) sind es drei Fachärzte, die mit anderen Gesundheitsberufen zusammenarbeiten. Sie werden 50 Stunden pro Woche geöffnet haben. Geplant ist, dass die kleineren KMZ wachsen und im Lauf der Zeit zu KPVE werden.

Für die Ärztinnen und Ärzte haben diese Zentren ebenfalls Vorteile, erklärte Erik Randall Huber, Vizepräsident der Wiener Ärztekammer. Man müsse bei Urlaub oder Krankheit nicht mühsam eine Vertretung suchen. Außerdem würden viele Ärzte lieber in einem Team arbeiten. Und mit der Zusammenarbeit in einem dieser Zentren wird zusätzlich auch der Work-Life-Balance Rechnung getragen, die vor allem der heutigen Generation von Ärztinnen und Ärzten wichtig ist.

Seitenhieb auf Bundesregierung

Nebenbei schwärmte Huber besonders von der „guten Zusammenarbeit“ aller Beteiligten. Das war ein klarer Seitenhieb auf die Bundesregierung, die eine Gesetzesnovelle entwickelt hatte, mit der das Vetorecht der Ärztekammer fällt, wenn sich für eine gewisse Zeit niemand für ein geplantes Primärversorgungszentrum findet.

Wie sind die Rahmenbedingungen dieser Projekte? Basis ist eine Pilotvereinbarung, die für fünf Jahre gilt und bei der nicht nur die ÖGK, sondern auch die Kassen für den öffentlichen Dienst/Eisenbahn/Bergbau (BVAEB), die Selbstständigen-Kasse SVS und die KFA der Stadt Wien mit an Bord sind.

Ein zentraler Punkt ist die Finanzierung. Für jede Einrichtung sind im Schnitt 1,8 Millionen Euro pro Jahr vorgesehen.
Derzeit gibt es in Wien 88 Kassenplanstellen für Kinderärzte, sechs davon konnten zuletzt nicht mehr besetzt werden – weil die Einzelpraxen für viele Ärzte nicht mehr attraktiv genug sind bzw. weil der Job als Wahlärztin oder Wahlarzt deutlich attraktiver als ein Kassenvertrag ist. Mit dem neuen Modell wolle man auch Wahlärzte wieder in das Kassensystem holen, wurde betont. Die Zahl der Planstellen soll laut Ferrari aber nicht steigen.

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