Analyse

Die Globalisierung ist nicht unterzukriegen, sie verändert sich nur

Der Welthandel ist nicht so leicht abzuwürgen. Die Waren kommen mitunter aber nicht mehr aus den gleichen Ländern wie früher.
Der Welthandel ist nicht so leicht abzuwürgen. Die Waren kommen mitunter aber nicht mehr aus den gleichen Ländern wie früher.APA/Getty Images via AFP/GETTY I
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Der internationale Güteraustausch kam in den vergangenen Jahren, trotz aller Unkenrufe, nicht zum Erliegen. Die Waren finden nun auf einem anderen Weg ans Ziel.

Totgesagte leben länger. So oder so ähnlich trifft das auch auf den globalen Warenaustausch zu. Noch vor drei Jahren sprachen Unternehmen und Politiker in den Industriestaaten von der Heimholung von Fabriken und dem Aufbau nationaler Industrien, um die Abhängigkeit des Westens von Asien, allen voran von China, zu reduzieren. Die Coronapandemie und der Ukraine-Krieg haben die internationalen Lieferketten nämlich auf eine harte Probe gestellt. Die sogenannte Deglobalisierung, die viele schon heraufbeschworen hatten, fand aber nicht statt.

Was sich laut Daten der Agentur Bloomberg jedoch immer deutlicher abzuzeichnen beginnt: Verschiebungen der Handelsströme gibt es durchaus. Das sieht man unter anderem an den USA. Die USA fuhren in den vergangenen Jahren sowohl unter Ex-Präsident Donald Trump als auch unter dem aktuellen Amtsinhaber, Joe Biden, eine klare Anti-China-Strategie. So ist der Anteil zollpflichtiger Warenimporte aus China in die Vereinigten Staaten im Jahr 2022 um 14 Prozent im Vergleich zu 2017 (der Zeit vor dem amerikanisch-chinesischen Handelskrieg) zurückgegangen. In den vergangenen fünf Jahren wiederum verringerte sich die Zahl chinesischer Einfuhren – aufgrund zahlreicher Restriktionen der Amerikaner – in die USA um drei Prozentpunkte.

Annäherung zwischen Europa und USA

Allerdings blieben die Chinesen seither nicht untätig. Um die Einfuhrbeschränkungen der größten Volkswirtschaft zu umgehen, eröffneten sie vielfach Niederlassungen in Ländern wie Vietnam, Thailand und Mexiko. Der amerikanische Nachbarstaat hat sich seither als wichtige alternative Bezugsquelle für die USA etabliert. Die Nachfrage nach Lagerhäusern und Industrieimmobilien entlang der nordamerikanischen Grenze ist beispielsweise hoch, die Leerstandsquote der Industrie dagegen nahe null.

Die Bemühungen von US-Präsident Joe Biden, Europa im Umkehrschluss eine größere Bedeutung zukommen zu lassen, trägt ebenfalls Früchte – und das trotz aller Handelskonflikte. So ist der Wert der US-Importe aus Europa im Vorjahr um 13 Prozent gestiegen, während die Einfuhren aus China nach Amerika um nur sechs Prozent zulegten.

Auch bei einzelnen Unternehmen ist es bereits zu Verschiebungen gekommen. So hat der US-Konzern Apple seine Produktionsfläche in Indien jüngst verdreifacht. Das Land ist inzwischen für rund sieben Prozent der weltweiten iPhone-Produktion verantwortlich. Und auch Vietnam nimmt im Smartphone-Bereich einen immer größeren Stellenwert ein. Das südostasiatische Land hat sich noch andernorts ins Spiel gebracht: Seit 2016 wuchs die Zahl der Möbelimporte in die Vereinigten Staaten um 186 Prozent, während das Plus aus chinesischer Produktion lediglich fünf Prozent betrug.

Der Welthandel legt weiter zu

China hat, global betrachtet, aber nicht überall das Nachsehen. Vielmehr hat die Industriepolitik Pekings die Volksrepublik inzwischen zum weltgrößten Exporteur von Elektrofahrzeugen und Plug-in-Hybriden gemacht, während Deutschland nur noch auf dem zweiten Platz rangiert. Daten des chinesischen Automobilverbands CAAM zufolge ist China mittlerweile auch der drittgrößte Auto-Exporteur, nach Deutschland und Japan an der Spitze.

Und auch die Globalisierung als solche steht nicht vor dem Aus. Im Gegenteil: Der Welthandel zeigt sich weiterhin sehr robust. Daten von April brachten ihm ein preis- und saisonbereinigtes Plus gegenüber dem Vormonat, auch für das Gesamtjahr wird Wachstum erwartet.
Die Vernetzung der Welt hat ebenfalls nicht gelitten. Daten des DHL Global Connectedness Index offenbaren, dass diese schon 2021 wieder über dem Vorkrisenniveau von 2019 lag und sich auch im Jahr 2022 fortgesetzt haben dürfte.

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