Analyse

Nationalismus ist die neue Religion der Türkei: Rechtsruck entscheidet Wahl

Erdoğan-Anhänger auf den Straßen Istanbuls. Der Präsident konnte mit einem nationalistischen Wahlkampf bei der Präsidentschaftswahl in Führung gehen. Mit Proteststimmen für den Ultra-Nationalisten Sinan Oğan drängen ihn seine Wähler vor der Stichwahl am 28. Mai aber noch weiter nach rechts.
Erdoğan-Anhänger auf den Straßen Istanbuls. Der Präsident konnte mit einem nationalistischen Wahlkampf bei der Präsidentschaftswahl in Führung gehen. Mit Proteststimmen für den Ultra-Nationalisten Sinan Oğan drängen ihn seine Wähler vor der Stichwahl am 28. Mai aber noch weiter nach rechts. (c) Getty Images (Jeff J Mitchell)
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Im neu gewählten Parlament sind die türkischen Nationalisten so stark wie seit der Staatsgründung vor hundert Jahren nicht. Auch im Rennen um die Präsidentschaft geben sie den Ton an. Aber wer erreicht die nationalistischen Protestwähler nun besser: Erdoğan oder Kılıçdaroğlu?

Wenn das neue türkische Parlament am kommenden Montag zusammentritt, wird es von dem Rechtsnationalisten Devlet Bahçeli eröffnet – und das passt. Bahçeli, der seine Anhänger oft mit dem Zeichen der Grauen Wölfe grüßt, ist mit seinen 75 Jahren nicht nur Alterspräsident der 600 Abgeordneten, er ist auch ein altgedienter Vorkämpfer türkischer Nationalisten - und die sind im neuen Parlament so stark wie noch nie. Die am vergangenen Sonntag gewählte Volksvertretung ist das nationalistischste Parlament in der hundertjährigen Geschichte der Türkischen Republik.

Nationalisten haben die Wahlen in der Türkei gewonnen, und sie sitzen in allen Lagern. Zwei Drittel der Volksvertreter in Ankara gehören rechtsgerichteten Parteien an: die Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, die nationalistische MHP von Bahçeli und zwei weitere verbündete Parteien sowie die rechtsnationale IYI-Partei aus dem Oppositionslager, deren Vorsitzende Meral Aksener als Innenministerin in den 90er Jahren für Gräueltaten gegen Kurden verantwortlich war, und die Zukunftspartei des früheren Premiers Ahmet Davutoglu. Der Sohn des gefürchteten Rechtsextremisten-Chefs Alparslan Türkes sitzt im neuen Parlament, ebenso der Sohn des früheren Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan: die Erben der Galionsfiguren islamisch-nationalistischer Politik vertreten nun das Volk.

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