Rechnungshofbericht

Geld vom Staat ohne Umsatzausfall

Der Rechnungshof stellte Überförderungen für landwirtschaftliche Betriebe und Privatzimmervermieter in Höhe von mindestens 9,74 Millionen Euro fest.
Der Rechnungshof stellte Überförderungen für landwirtschaftliche Betriebe und Privatzimmervermieter in Höhe von mindestens 9,74 Millionen Euro fest.REUTERS
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Bei den Covid-Hilfen für die Landwirtschaft war der Staat besonders großzügig, kritisiert der Rechnungshof. 50 Cent Umsatzausfall brachten 1100 Euro Förderung.

Wien. Wirklich überraschend ist die Nachricht nicht, dass es der Staat im Lockdown mit den finanziellen Hilfen für die Unternehmen etwas übertrieben hat. Aber wie leichthändig Geld verteilt wurde, hat sogar die Prüfer des Rechnungshofes (RH) erstaunt. Sie kritisieren in einem am Freitag veröffentlichten Bericht („Covid-19-Förderungen durch die Agrarmarkt Austria“), dass Förderungen ohne Angabe von Umsatzdaten und ohne Nachweis von tatsächlichen Verlusten an landwirtschaftliche Betriebe und Privatzimmervermieter vergeben wurden. Die Folge: Überförderungen von mindestens 9,74 Millionen Euro. Insgesamt wurden bis Ende 2021 exakt 178,48 Millionen Euro für die Land- und Forstwirtschaft sowie für Privatzimmervermietungen ausbezahlt.

Wie großzügig der Staat mit dem Steuergeld umging, fassen die Prüfer sehr anschaulich in einem Satz zusammen: „So reichte beispielsweise ein Umsatzausfall von 50 Cent, um eine ,Abgeltung der Einkunftsverluste' von 1100 Euro pro Antrag zu erhalten.“ In dem Fall ging es um Privatzimmervermieter. Doch auch bei den landwirtschaftlichen Betriebszweigen Schweinehaltung, Kartoffeln, Legehennen und Wein gab es keine großen Hürden für Zuschüsse. „Die Betriebe konnten aufgrund des pauschalen Fördermodells einen Antrag auf Verlustersatz stellen, ohne einen Umsatzausfall nachweisen zu müssen“, stellen die Kontrollore fest.

Federführend erarbeitete das Landwirtschaftsministerium (damals noch unter Leitung der ÖVP-Politikerin Elisabeth Köstinger) in der Pandemiezeit zwei Richtlinien, um die wirtschaftlichen Folgen für die Land- und Forstwirtschaft sowie die Privatzimmervermietungen abzufedern: die Härtefallfonds-Richtlinie und die Sonderrichtlinie Verlustersatz. Ziel der Zahlungen zwischen März 2020 und Dezember 2021 war, die Zahlungsfähigkeit zu erhalten und die Liquidität der Betriebe zu sichern. Die AMA wickelte die Anträge und die Auszahlungen ab.

Doch die „einzelnen Förderinstrumente waren so gestaltet, dass bei niedrigen Umsatzausfällen und geringen Umsätzen ein Potenzial von Überförderung bestand“, schreibt der RH in dem 116-seitigen Bericht. Als Konsequenz erhielten 1066 land- und forstwirtschaftliche Betriebe und 917 Privatzimmervermietungen im Rahmen des Förderinstruments „Abgeltung der Einkunftsverluste“ um 5,2 Millionen mehr ausbezahlt, als die angegebenen Umsatzausfälle ausmachten.

Auch beim Lockdown-Umsatzersatz war bei 1385 land- und forstwirtschaftlichen Betrieben und 2303 Privatzimmervermietungen das Fördervolumen um 4,54 Millionen Euro höher als die angegebenen Umsätze. Überhaupt wurden 4,5 Millionen Euro bewilligt, obwohl die Anträge keine Angaben zu Umsatzdaten enthielten, ergab die Auswertung des RH.

Höhere Ausgaben des Bundes

Unternehmen konnten auch mehrfach Förderungen beantragen. „Für den Zeitraum Oktober 2020 bis März 2021 konnte zum Beispiel ein Weinbaubetrieb, der seine Produkte direkt an die Gastronomie vermarktete und einen Umsatzausfall verzeichnete, eine Förderung auf Basis der Härtefallfonds-Richtlinie erhalten. Zusätzlich konnte er bei einem Rückgang des Jahresweinabsatzes eine Förderung auf Basis der Sonderrichtlinie Verlustersatz in Anspruch nehmen“, fanden die RH-Prüfer heraus – und nicht nur sie. Insgesamt erhielten 155 Betriebe Förderungen sowohl aus der Sonderrichtlinie Verlustersatz als auch aus der Härtefallfonds-Richtlinie für den Tätigkeitsbereich Direktvermarktung.

Während die Neos in einer Reaktion von „Steuergeldverschwendung, wohin man schaut“ sprachen, meinte der ÖVP-Bauernbund, es sei wichtig gewesen, „mit schneller und einfacher Hilfe, die ohne Umwege bei den Betrieben ankam, für Sicherheit und Stabilität zu sorgen“.

Die Coronahilfen und die Zuschüsse gegen die Teuerung wirken sich weiterhin auf den Budgethaushalt aus, wie aktuelle Zahlen zum Vollzug zeigen. Bis Ende April zahlte der Staat 34,8 Mrd. Euro aus – um 2,7 Mrd. Euro oder 8,4 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Im Kampf gegen die Energiekrise wandte der Bund 1,6 Mrd. Euro auf, davon sind 450 Mio. Euro als Wohn- und Heizkostenzuschuss an die Bundesländer überwiesen worden. An Pensionisten wurden im Rahmen der Pensionsanpassung 518,9 Mio. Euro ausbezahlt. Der Stromkostenzuschuss an private Haushalte schlägt sich bis Ende April mit etwa 100 Mio. Euro nieder. 265 Mio. Euro wurden für den Energiekostenzuschuss für Unternehmen reserviert.

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) betonte am Freitag in einer Aussendung einmal mehr, dass er „die langfristige Entwicklung und das Budget im Auge“ behalten werde. (rie)

Auf einen Blick

Der Rechnungshof (RH) hat bei staatlichen Coronahilfen für die Land- und Forstwirtschaft sowie für Privatzimmervermieter eine Überförderung von mindestens 9,7 Mio. Euro festgestellt. Die von der Agrarmarkt Austria (AMA) abgewickelten Fördermaßnahmen hatten „erhebliche Schwächen“, unter anderem waren Nachweise von Verlusten nicht erforderlich, heißt es in einem am Freitag veröffentlichten RH-Prüfbericht. Auch hätten die Richtlinien Mehrfachförderungen ermöglicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2023)

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