Schweiz

Bern sagt Nein zu „Lex Ukraine“

Das Parlament hat einen Vorstoß abgelehnt, doch weitere Initiativen für indirekte Waffenlieferungen sind in der Pipeline.

Bern/Wien. Der Nationalrat in Bern hat dem Vorstoß „Lex Ukraine“ eine Abfuhr erteilt – doch kommt dieses Ergebnis nicht überraschend, wurde die Regelung doch bereits im Vorfeld kontrovers diskutiert. Die „Lex Ukraine“ sah vor, die Weitergabe von Schweizer Rüstungsgütern über Drittländer zeitlich begrenzt, rasch und nur im Falle der Ukraine zu erlauben. Mit Blick auf die Neutralität zu gewagt für die meisten Parlamentarier – für den grünen Nationalratsabgeordneten Fabien Fivaz gar eine „nukleare Option“.

Doch damit ist die Debatte über indirekte Waffenlieferungen an die Ukraine nicht beendet. Der internationale Druck bleibt bestehen, darüber hinaus bangt die Schweizer Rüstungsindustrie um ihren Ruf. So befinden sich derzeit mehrere Vorstöße in beiden Kammern des Parlaments in der Pipeline. Zuletzt hat sich ein Vorschlag als besonders chancenreich herausgestellt. Diesem Vorstoß – von der „NZZ“ „Lex UNO“ getauft – stimmten die Sicherheitspolitischen Kommissionen im Nationalrat und im Ständerat bereits zu; das heißt, dass er nun angegangen werden kann.

Der „Lex UNO“-Kompromiss stützt sich auf die Resolution „Uniting for Peace“ – ein Mechanismus der UNO, der in Gang gesetzt werden kann, wenn der Sicherheitsrat gelähmt ist. Umgelegt auf den Schweizer Fall würde das so aussehen: Bern erlaubt die Weitergabe von Waffen über Drittländer, wenn zwei Drittel der UNO-Generalversammlung das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine bestätigt haben (das ist passiert, da Russland im Sicherheitsrat ja Vetomacht ist). Die weiteren Details der „Lex UNO“ sind noch Gegenstand von Diskussionen, der Nationalrat befasst sich damit.

Rheinmetall will Panzer

Die Regierung selbst zeigt sich verhalten, will keine Änderung des Kriegsmaterialgesetzes. Es ist dieses Gesetz, das die Weitergabe von Schweizer Waffen über Drittländer verhindert, und es wurde just kurze Zeit vor Beginn des Ukraine-Krieges verschärft. In Bern liegt der Ball daher beim Parlament. Doch worum geht es konkret? Dänemark will ausgemusterte Panzer (Piranha 3) des Schweizer Herstellers Mowag an die Ukraine weitergeben. Deutschland will 12.400 Schuss Munition für seine Gepard-Panzer nach Kiew schicken – die Munition hat Rheinmetall in der Schweiz hergestellt. Spanien möchte bestimmte Bestandteile von Kriegsgerät an die Ukraine liefern, in den Medien war etwa von Einzelteilen für Aspide-Raketen die Rede. Alle Gesuche hat Bern freilich abgelehnt.

Nicht an das Kriegsmaterialgesetz gebunden ist hingegen ein Gesuch aus Deutschland. Rheinmetall will Leopard-2-Panzer (zurück)kaufen, die die Schweiz stillgelegt hat. Die Bundeswehr könnte damit die Lücke auffüllen, die durch die Ukraine-Hilfe entstanden sind. Dafür muss das Berner Parlament die Panzer außer Dienst stellen. Nach einigem Hin und Her erscheint die Außerdienststellung bald möglich. (duö)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2023)

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