Katholik neben Kommunist: Nein zum Bettelverbot

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Scharfe Kritik an verschärftem Bettelverbot. Ein Einspruch beim VfGH wird kommen. Ganz konfliktfrei sind die internen Entscheidungsfindungen auch bei den rot-schwarzen Regierungsparteien nicht abgelaufen.

Graz. Es sind ungewöhnliche Koalitionen, die sich im Widerstand gegen das geplante Bettelverbot in der Steiermark bilden: KPÖ und katholische Pfarrer und Laienorganisationen kritisieren fast wortident, die Grünen finden sich inhaltlich mit Supermarktketten in einem Boot, Universitätsprofessoren demonstrieren neben Lehrlingen. Sie alle protestieren gegen die Verschärfung des Landessicherheitsgesetzes, das heute, Dienstag, im Landtag beschlossen wird.

SPÖ und ÖVP haben sich im Vorfeld darauf verständigt, Betteln zukünftig landesweit generell zu verbieten – mit der möglichen Option für Gemeinden, es an „bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten“ dennoch zu genehmigen („Die Presse“ berichtete). Eine Variante, die bisher von keinem Bürgermeister angekündigt wurde. Für Christopher Drexler, VP-Klubobmann im Landtag und treibende Kraft hinter der aktuellen Novelle, wohl wenig überraschend. „Ich sage gleich dazu, das wird kaum ein Gemeinderat tun“, kommentierte er bereits vor einem Jahr im Rahmen einer Landtagssitzung die realpolitische Leichtgewichtigkeit einer derartigen kommunalen Wahlfreiheit. Ab April, wenn das Gesetz in Kraft tritt, wird es sie dennoch geben.

„Sünde, arm geboren zu sein“

Nicht die einzige juristische Pikanterie. So wird von Experten wie den Grazer Uni-Professoren Christian Brünner und Wolfgang Benedek davon ausgegangen, dass das Verbot vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) ohnehin nicht hält. Es würde mehreren Artikeln der Allgemeinen Menschenrechtskonvention und EU-Grundrechtscharta widersprechen. Zudem hat Benedek, Vorsitzender des Grazer Menschenrechtsbeirats, mehrmals gefordert, erst die anstehende VfGH-Entscheidung bezüglich des Bettelverbots in Wien und Salzburg abzuwarten.

Ohne Erfolg. Deshalb hat der Grazer Pfarrer Wolfgang Pucher, seit 15 Jahren Vertrauensmann der in Graz bettelnden Roma aus der Ostslowakei, angekündigt, auch das steirische Gesetz beim VfGH zu beeinspruchen. „In Graz gibt es keine Bettelmafia“, wird er nicht müde, derartigen Argumenten der Verbotsbefürworter zu kontern.

„Wir haben niemals organisiert um Geld gebeten“, bestätigt Lakatos Árpád, ein Rom aus der ostslowakischen Stadt Hostice, der seit Jahren zum Betteln nach Graz kommt. Der grauhaarige Mann kann die aktuelle Aufregung nicht verstehen. „Wir haben nie etwas getan, unsere Sünde besteht darin, dass wir arm zur Welt gekommen sind“, sagt er mit leiser Stimme. Die soziale Situation der Roma ist prekär: Jobs gibt es keine, die Sozialhilfe reicht nicht bei Lebensmittelpreisen, die teilweise über dem österreichischen Niveau liegen (siehe Artikel unten).

Neben menschenrechtlichen Organisationen sorgt die Verschärfung des schon bisher geltenden Verbots für aggressives Betteln und Betteln mit Kindern vor allem bei Kirchenvertretern und kirchennahen Organisationen für teils wütenden Widerstand. „Die Würde des Menschen wird mit der Novelle auf massive Art verletzt“, kritisiert Hans Putzer, Präsident der Laienorganisation „Katholische Aktion“. Das Gesetz sei „geprägt von Ressentiments statt Respekt“, es werde „ein Generalverdacht gegenüber einer gesellschaftlichen Gruppe formuliert, der mit rechtsstaatlichen Grundprinzipien nicht vertretbar ist“. „Ist der öffentliche Raum nur mehr für die Reichen und Schönen?“, fragt sich der evangelische Pfarrer Manfred Perko und spricht von „unwürdigen Maßnahmen“.

Interner Ärger bei SPÖ und ÖVP

Ganz konfliktfrei sind die internen Entscheidungsfindungen auch bei den rot-schwarzen Regierungsparteien nicht abgelaufen.

Vor allem innerhalb der Grazer SPÖ ärgert man sich über die Genossen auf Landesebene, nicht zuletzt, weil sich erst vor einem Jahr Landeshauptmann Franz Voves selbst gegen ein generelles Bettelverbot ausgesprochen hat. Offiziell kommentieren will die Kritik zwar niemand, man setzt aber wenig getarnte Zeichen. So findet sich unter den 8500 Unterzeichnern von Pfarrer Puchers Online-Protestpetition auch der Name der Grazer SP-Sozialstadträtin Martina Schröck. Die rote Nationalratsabgeordnete und ehemalige Frauenministerin Heidrun Silhavy hat Samstagmittag an einer Demonstration in der Grazer Innenstadt teilgenommen, und für die Abstimmung heute im Landtag hat eine Hand voll SP-Mandatare angekündigt, den Saal zu verlassen.

Aufgrund anderer Motive ist auch die FPÖ dagegen. Ihr geht die Novelle, die heute im Landtag beschlossen wird, nicht weit genug.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2011)

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