Bettelverbot: Tarnung für Sparkurs und Wahltaktik

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SPÖ und ÖVP versuchen, in der Steiermark ihre rechten Ränder zu flicken und setzen auf die Vergesslichkeit der Wähler.

SPÖ und ÖVP können in der Steiermark 70 Bettlern aus der Ostslowakei zu Dank verpflichtet sein. Würden sie nicht seit eineinhalb Jahrzehnten vornehmlich in Graz auf Gehsteigen, in Fußgängerzonen und auf Innenstadtplätzen betteln, hätte es auch keine Notwendigkeit für das am Dienstag im Landtag beschlossene Bettelverbot gegeben. Und die (mediale) Öffentlichkeit hätte die beiden neuerdings in einer Reformpartnerschaft kuschelig vereinten Koalitionsparteien mit weitaus unangenehmeren Fragen konfrontiert: Wo denn jetzt wer und wie genau vom angekündigten Minus-25-Prozent-Sparkurs der Landesregierung betroffen sein wird?

Als Antwort bekommt man seit Wochen nur abgegriffene Worthülsen. Meist aber lärmende Stille. Denn seit Besiegelung des Koalitionspakts haben sich SPÖVP hinter einem kremlartigen Schweige-Paravent verschanzt. Pressetermine sind – wenn überhaupt – mühselig bis ins kleinste Detail abgestimmten Communiques gewichen, Stäbe von Pressesprechern, früher Aussendung bei Fuß, wenn es darum ging, dem Gegner seine Dummheit vorzuhalten, leisten gemütlichen Dienst nach Vorschrift, während ihre Chefs in klandestinen Budget-Verhandlungsrunden sitzen. Im Sinne des Landes und seiner Zukunft, wird versichert. Klingt nett. Einschlägige Erfahrungen aus der Vergangenheit lassen aber Skepsis keimen.

Als strategische Ablenkungsstrategie kommt da eine handfeste Aufregung um ein Bettelverbot gerade recht. Das parteitaktische Motiv für die ausgerechnet jetzt und in einer für dieses stark reformbedürftige Landesparlament ungewohnten Geschwindigkeit durchgepeitschte Novelle, ist klar. Vor allem die ÖVP will ihre ausgefransten rechten Ränder flicken und gegen die mit bundesweitem Rückenwind dahinsegelnde FPÖ dicht machen.

Auch der SPÖ, deren einstiges Arbeiterklientel zum blauen Stammpublikum mutiert ist, kommt ein härteres Profil nicht ungelegen. Und bis zur nächsten Landtagswahl erst im Jahr 2015 wird die Aufregung wohl wieder vergessen sein. Dafür nimmt man selbst ein Gesetz in Kauf, dass aller Wahrscheinlichkeit vom Verfassungsgerichtshof gekippt wird. Wie das zu dem von VP-Klubobmann Christopher Drexler so innig geforderten Wettbewerbsförderalismus um die beste Landesgesetzgebung passt, bleibt schleierhaft.

Noch dazu ist der Plan nur halb aufgegangen. Denn die FPÖ wehrte den Fischversuch im eigenen Wählerteich mit einer Zustimmung in letzter Minute ab. Jetzt sitzen SPÖ und ÖVP erst wieder mit der FPÖ in einem Boot. Aber zumindest jenes der Bettler hat man in trauter Dreisamkeit versenkt.

 

E-Mails an: klaus.hoefler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2011)


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