Guter alter Oscar: Stotterer siegt

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Der Favorit der Oscars "The King's Speech", das englische Historiendrama über den späteren König George V, setzte sich mit vier Hauptpreisen durch - im letzten Moment. Ist die Oscar-Verjüngungskur gescheitert?

Um es mit angebrachtem britischen Understatement zu sagen: Der kleine Sieger der Oscar-Nacht war dann doch der Favorit. The King's Speech, das englische Historiendrama über den späteren König George VI., der sein Stottern überwindet und dann mit Radioansprachen Britanniens Widerstand gegen die NS-Gefahr befeuert, holte vier Hauptpreise, darunter die begehrteste Trophäe für den besten Film. Nicht nur die wird bekanntlich zuletzt vergeben: Erst im Finish wendete sich das Blatt, Colin Firth wurde für seine Darstellung des stotternden Thronfolgers erwartungsgemäß als bester Schauspieler ausgezeichnet, überraschend dagegen der Triumph des TV-Veteranen Tom Hooper als bester Regisseur.

Zunächst erhielt The King's Speech nur den Oscar für das beste Originaldrehbuch, der Ausgang des Abends schien höchst ungewiss: Das sorgte für etwas Spannung in einer Gala, die bis auf den bewegenden Auftritt von Altstar Kirk Douglas den Eindruck schneller, professioneller, aber pointenloser Abwicklung verströmte: Statt Komiker-Moderation setze man auf Verjüngung, ließ die beliebten Darsteller James Franco und Anne Hathaway durch den Abend führen. Das erledigten sie nicht uncharmant, aber es fehlte doch entschieden an Höhepunkten (immerhin gab es auch keine Tiefpunkte).

Auch die Ergebnisse kann man als gescheiterte Verjüngungskur sehen, ohne sich ärgern zu müssen: Mit The King's Speech hat sich eine Oscar-Konsensformel bewährt. Gefällig inszeniert, gediegen gespielt, gemütliche Unterhaltung mit aristokratischem Briten-Bonus, was für die Academy automatisch als Anspruchsgarantie gilt. Ein altmodischer Gewinner, wie geschaffen für die Oscar-Wähler, unter denen bekanntlich ältere Semester dominieren? Wieder ein Rückschlag für die seit Längerem bei den Oscars praktizierte Taktik, ein jüngeres Publikum zu erreichen?

Eigentlich zweiter Sieger: „Inception“

Nicht unbedingt: Wenn ein Film heuer den Spagat zwischen Alter und Jugend verkörperte, dann Christopher Nolans Blockbuster Inception. Eigentlich Effektekino für die junge Zielgruppe, aber mit seiner verschachtelten Erzählung ambitioniert genug für Academy-Würden. Mit ebenfalls vier Oscars ist Inception der zweite kleine Sieger der Gala – auch wenn sich die Preise erwartungsgemäß auf technische Kategorien (Kamera, Effekte, Ton, Tonschnitt) beschränkten. Zwar öffnen sich die Oscars in diese Richtung – Nolans Film war in Hauptkategorien nominiert –, aber Spektakelkino bleibt offenbar suspekt: Auch Avatar unterlag letztlich im Vorjahr.

Mit Trostpreisen mussten sich dagegen andere Hollywood-Hoffnungsträger unter den Filmemachern begnügen: Für Darren Aronofskys Ballet-Delirium Black Swan gab es nur den als sicher geltenden Hauptdarstellerinnen-Oscar für Natalie Portman. Beide Nebendarsteller-Preise gingen an David O. Russels konventionelleren Boxerfilm The Fighter. Und trotz dreier Oscars ist der Facebook-Film The Social Network der Verlierer des Abends: David Finchers Zeitgeist-Studie war lange Favorit, wurde erst zuletzt vom britischen Königsdrama überrundet. Es blieb bei Nebenpreisen, außer für Drehbuchautor Aaron Sorkin. Man sollte meinen, Finchers Kombination von aktuellem Thema und Qualitätskino wäre der generationenübergreifende Kompromiss gewesen. Nur dass der Film kein besonders jugendliches Publikum anzog – insofern kann man der Academy kaum vorwerfen, dass sie gleich offen bei ihren alten Vorlieben geblieben ist. Über die Oscar-Gala: Seite 13

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2011)

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