Oscar-Gala: Mit Gehstock zu einer lahmen Gala

(c) EPA (MICHAEL YADA)
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Das Facelifting durch ein neues Moderatorenduo ging gründlich daneben. Anne Hathaway und James Franco produzierten Plattitüden und matte Gags in Serie. Hollywood-Veteranen und britischer Humor retteten die Show.

Als alles vorbei war, als der Schlussakkord des Judy-Garland-Songs „Over the Rainbow“ ausgeklungen war, klatschte Anne Hathaway die Kids des Schulchors aus New Yorks Stadtteil Staten Island mit einem „High Five“ ab. Jung und hip wollte sich die Oscar-Gala im 83. Jahr für die Facebook-Generation geben, doch das Moderatorenduo Hathaway und James Franco produzierte Plattitüden und matte Gags in Serie.

Der Hype um die beiden Jungstars brach nach wenigen Sekunden der Eröffnungssequenz jäh in sich zusammen. In einer verunglückten Hommage stolperten sie durch eine Filmmontage. Während sich Hathaway in der Show wie aufgeputscht und mit zuckersüßer Miene von Einlage zu Einlage turnte, wirkte Franco schläfrig und gelangweilt – wenn er nicht gerade in einen Marilyn-Monroe-Fummel schlüpfte, sich in einer Einspielung aus einem Bärenpelz schälte oder als Balletttänzer herumhopste.

„Halte dich gerade“, schärfte Hathaways Mutter ihr gleich anfangs aus dem Publikum ein: „Steven Spielberg ist auch da.“ Als wäre Hollywood in den 1990er-Jahren stehen geblieben, musste sich Francos Oma zu dem Satz entblöden: „Ich habe Marky Mark gesehen.“ Dabei hat Mark Wahlberg seine Tage als Hip-Hopper und als Unterhosenmodel längst hinter sich gelassen. Als Produzent und Hauptakteur hatte er den Boxerfilm „The Fighter“ auf die Beine gestellt, der die beiden besten Nebendarsteller hervorbrachte.

Nur ihre Affinität zum Fluchen hat er ihnen nicht ganz ausgetrieben. „Bei Kate Winslet sah das vor zwei Jahren noch so verdammt leicht aus“, entfuhr es Melissa Leo in ihrer Dankesrede und blieb so ihrer Rolle als Matriarchin einer „White-Trash“-Familie treu. Ihr Filmsohn Christian Bale stürmte mit dem Ausruf „Bloody Hell“ auf die Bühne, bevor er sich besann: „Ich werde das F-Wort nicht fallen lassen.“

Mit einer Verbeugung hatte Melissa Leo zuvor Kirk Douglas ihre Reverenz erwiesen. „Zwick mich“, sagte sie – und schnappte beim Abgang ausgelassen seinen Gehstock. Der 94-Jährige, von einem Schlaganfall gezeichnet, hatte – ganz Profi – den Nervenkitzel mit einem Monolog gesteigert, ehe er den Namen der Preisträgerin preisgab. In Douglas und in einer Schwarz-Weiß-Einstellung des langjährigen Oscar-Gastgebers Bob Hope ließ die Academy im Kodak Theatre den Glamour von Old Hollywood auferstehen, der die Newcomer Hathaway und Franco verblassen ließ. Selbst die Witze Billy Chrystals waren zündender.

Wären da nicht die Briten und die Queen, ihre Ersatzmutter, gewesen – was wäre Hollywood ohne sie? „Ich danke der Queen, dass sie mich wegen der Fourletter-Words nicht in den Tower geworfen hat“, scherzte David Seidler, der Drehbuchautor von „The King's Speech“. Für das Projekt hatte er den Tod der Queen Mom – der Ehefrau von George VI. – abgewartet.

Komiker Russell Brand alberte mit Helen Mirren herum, der Oscar-prämierten Elizabeth II. Regisseur Tom Hooper dankte seiner Mutter, ihn auf das Stück aufmerksam gemacht zu haben: „Die Moral ist – hört auf die Mütter.“ Colin Firth versagte sich einen Freudentanz auf der Bühne, eine Stotteransprache à la George – und zu viel Gin bei den Partys hinterher. „So schnell als möglich an die Bar“, hatte Kevin Spacey als Devise ausgegeben. Für die Verlierer mochte dies ja gelten. Die Gewinner aber sollten am nächsten Vormittag halbwegs nüchtern bei Oprah Winfrey erscheinen, Amerikas Talk-Show-Queen. Seite 23

Auf einen Blick

Etwas verunglückt haben zahlreiche Kommentatoren die diesjährige Oscar-Gala empfunden. Der Spagat zwischen gediegener Atmosphäre und jugendlich anmutenden Einspielungen wollte nicht so sehr funktionieren. Trotzdem hatte die 83. Verleihung der Academy Awards ihre Highlights, etwa den Auftritt des 94-jährigen Kirk Douglas.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2011)

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