Attentat: Der Terror kehrt nach Israel zurück

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Einem Anschlag bei einer Bushaltestelle in Jerusalem fiel eine Frau zum Opfer. Mindestens 30 Passanten trugen Verletzungen davon. Der Sprengsatz war in einer Tasche eben einem öffentlichen Telefon versteckt.

Jerusalem. Der Terror ist nach Israel zurückgekehrt. Es war zur Mittagszeit, als an einer Bushaltestelle in Jerusalem eine Bombe hochging. Der Sprengkörper war in einer Tasche neben einem öffentlichen Telefon versteckt worden. Mit 1,5 Kilogramm war der Sprengsatz verhältnismäßig klein. Die Wirkung war trotzdem tödlich. Eine Frau starb, mindestens 30 Passanten trugen Verletzungen davon. Der Gehsteig an der Bushaltestelle war blutüberströmt.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verzögerte seine für den Nachmittag geplante Abreise nach Moskau. Bis zum Nachmittag hat sich niemand für den Terrorakt verantwortlich erklärt.

War Geheimdienst vorgewarnt?

Offenbar hatte der Sicherheitsapparat Informationen über eine geplante Aktion. Besondere Maßnahmen waren indes nicht getroffen worden. Der Anschlag trifft Jerusalem nach einer relativ langen Periode der Ruhe. Zum letzten Mal starben drei Menschen im Juli 2008, als ein palästinensischer Extremist mit seinem Bulldozer auf Autos und Fußgänger zusteuerte. Auch der letzte Selbstmordanschlag, der sich in der Stadt Dimona ereignete, liegt fast drei Jahre zurück.

Der Terror im Westjordanland konzentrierte sich im vergangenen Jahr vor allem auf die Siedler. Bei dem jüngsten Anschlag wurden die Eltern und drei Kinder in der Siedlung Itamar im Schlaf erstochen. In Jerusalem selbst hatte es seit sieben Jahren keinen Bombenanschlag gegeben.

Methode der 1980er-Jahre

Die Methode der versteckten Sprengstoffsätze ist nicht neu. Sie gilt als die mildere Form des Terrors im Vergleich zu den Selbstmordanschlägen und war vor allem in den 1980er- und frühen 1990er-Jahren verbreitet.

Schon vor ein paar Wochen explodierte in einem Mistkübel in Jerusalem ein kleiner Sprengsatz. Dabei wurde einem Reinigungsarbeiter die Hand abgerissen. Die Tatsache, dass die Extremisten auf die aus ihrer Sicht wirkungsvolleren Selbstmordanschläge verzichten, lässt darauf schließen, dass die palästinensischen Sicherheitsdienste die radikalen Organisationen weitgehend unter Kontrolle haben.

Bürgermeister mahnt zu Ruhe

Augenzeugen des Attentats berichteten, den Mann, der den Sprengsatz abstellte, identifizieren zu können. Die Polizei leitete die Fahndung ein. Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat gab sich zuversichtlich. „In 99 Prozent der Fälle werden die Täter gefunden.“

Barkat mahnte zur Aufmerksamkeit und appellierte an die Bürger seiner Stadt, verdächtige Gegenstände zu melden. Wachsamkeit kann den nächsten Anschlag verhindern.“ Der Bürgermeister will, „so rasch wie möglich zur Routine zurückkehren“. Das sei die „beste Botschaft an die Täter“.

Den für Freitag geplanten umstrittenen Marathon, der durch Ostjerusalem führt, will er auf keinen Fall absagen. Die Stimmung in der Stadt blieb bis zum Nachmittag angespannt. Aufgebrachte Bürger ließen ihre Wut an arabischen Arbeitern und Passanten aus und beschimpften sie.

Der Anschlag könnte im Zusammenhang mit der jüngsten Eskalation an der Grenze zum Gazastreifen stehen. Am Dienstag sind bei einem der schlimmsten Luftangriffe seit dem Gaza-Krieg vor gut zwei Jahren acht Palästinenser getötet worden, darunter drei Kinder und ihr Onkel. Netanjahu bedauerte den Tod von Unschuldigen, dennoch ging der Beschuss weiter. In der israelischen Stadt Beerschewa blieben die Schulkinder gestern, Mittwoch, zu Hause, nachdem ein Israeli von einer Grad-Rakete, die aus dem Gazastreifen abgefeuert worden war, verletzt worden war.

Bald Krieg in Gaza?

Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas drängte im Verlauf seines Treffens mit dem russischen Außenminister Sergei Lawrow in Moskau dazu, den Druck auf Israel zu verstärken, um die Angriffe zu beenden, wie die palästinensische Agentur Maan berichtet.

Die israelische Militärführung strebt erklärtermaßen eine Beruhigung an. Vizeverteidigungsminister Matan Vilani glaubt hingegen, dass „eine umfassende militärische Operation nur eine Frage der Zeit ist“, wie er am Mittwoch gegenüber dem Radiosender „Stimme Israels“ erklärte.

Auf einen Blick

In Jerusalem ereignete sich am Mittwoch der erste Bombenanschlag seit sieben Jahren. Nahe einer Bushaltestelle ging ein Sprengsatz hoch; eine Frau wurde getötet. Es handelte sich nicht um ein Selbstmordattentat. Die Bombe war in einer Tasche versteckt. Den letzten Terroralarm hatte es 2008 in der israelischen Hauptstadt gegeben. Damals walzte ein palästinensischer Extremist drei Israelis mit einem Bulldozer nieder.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2011)

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