Forschung: Suche nach dem idealen Stromspeicher

Suche nach idealen Stromspeicher
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Pumpspeicherkraftwerke sind derzeit die nahezu einzige Möglichkeit, Strom in größerem Maßstab zu speichern. Da ihr Ausbaupotenzial beschränkt ist, arbeiten Wissenschaftler mit Hochdruck an neuen Lösungen.

Regenerative Energie zu produzieren hat einen entscheidenden Nachteil: Sie ist flüchtig. Strom gibt es nur, wenn der Wind weht, wenn die Sonne scheint. Erschwerend hinzu kommt, dass die Speichermöglichkeiten begrenzt sind. Laut einer aktuellen Studie der Boston Consulting Group (BCG) ist derzeit zwar weltweit eine Speicherkapazität von etwas mehr als 100 Gigawatt aus Pumpspeicherkraftwerken verfügbar, dann kommt aber lange nichts. Druckluftspeicher und Batterien bewältigen etwas mehr als ein Gigawatt, eine weitere Kapazität von vier Gigawatt ist im Rahmen unterschiedlicher Speicherprojekte erst in Vorbereitung.

Entwicklung von Megabatterien

Viel zu wenig, um dem starken Wachstum der Stromerzeugung aus stark fluktuierenden Energieformen wie Wind- und Solarenergie gerecht zu werden. Die BCG schätzt, dass bis zum Jahr 2030 weltweit ein zusätzlicher Bedarf an Speicherkapazität von 330 Gigawatt erforderlich sein wird. Den entsprechenden Investitionsbedarf beziffert das Beratungsunternehmen mit 280 Milliarden Euro, wobei rund die Hälfte davon für Batterien anfallen wird.

Denn gerade in diesem Bereich steht die Entwicklung noch ziemlich am Anfang. Die aktuell größte, auf Lithium-Ionen-Technologie basierende Batterie wird derzeit vom deutschen Industriekonzern Evonik gebaut und soll noch heuer bei einem eigenen, konventionellen Kraftwerk nahe dem saarländischen Völklingen getestet werden. Sie wird 40- bis 50-mal so groß sein wie die von Elektrofahrzeugen, fünf Tonnen wiegen und auf eine Leistung von einem Megawatt kommen. Später soll sie auf zehn MW erweitert werden. Prof. Heinz Stigler vom Institut für Elektrizitätswirtschaft und Energieinnovation der TU Graz sieht darin allerdings keine praktikable Lösung der Speicherproblematik: „Solche Großbatterien kosten bis zu zwanzigmal mehr als ein Pumpspeicher, und die dafür benötigten Materialien sind nicht nur begrenzt verfügbar, sondern teilweise auch alles andere als umweltfreundlich.“

Druckluftspeicher und Windgas

Daher wird auch an Alternativen geforscht. An der Entwicklung eines neuartigen Druckluftspeichers arbeiten derzeit etwa der deutsche Energieversorger RWE, General Electric (GE), die Bauunternehmung Züblin sowie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Druckluftspeicher funktionieren im Prinzip ähnlich wie Pumpspeicher: Mit der Energie aus überschüssigem Strom werden Luftmassen auf bis zu 100 bar verdichtet und in unterirdische Kavernen gepresst. Bei erhöhter Nachfrage kann mit dieser Druckluft dann im Kraftwerksbetrieb eine konventionelle Gasturbine angetrieben werden. Gleichzeitig nutzt das „Adele“ getaufte Projekt die beim Verdichten entstehende Wärme, was den Wirkungsgrad deutlich erhöht. Eine erste Demonstrationsanlage soll ab 2013 bei einem aufgelassenen Salzstock in Staßburg (Sachsen-Anhalt) entstehen und über eine Leistung von bis zu 90 MW verfügen.

Einen anderen Ansatz verfolgt eine Kooperation des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) mit dem Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) und dem Industriepartner Solar Fuel Technology. Die Forscher wollen regenerative Energie aus Überschusszeiten zur Herstellung von Methan nutzen. Dabei wird in einem ersten Schritt per Elektrolyse aus Wasser Wasserstoff erzeugt, der dann im Rahmen einer chemischen Reaktion mit Kohlendioxid in klimaneutrales, synthetisches Erdgas umgewandelt wird. Der Wirkungsgrad liegt zwar mit 60 Prozent unter jenem von Pumpspeicherkraftwerken (ca. 70 Prozent), die Technologie hat aber den großen Vorteil, dass sich das künstlich hergestellte Gas uneingeschränkt in normale Gasleitungen einspeisen lässt. „Bei der Entwicklung der Technik haben wir uns von zwei Kernfragen leiten lassen“, erklärt Michael Specht vom ZSW: „Welche Speicher bieten eine ausreichend Kapazität für die je nach Wind und Wetter unterschiedlich stark anfallenden erneuerbaren Energien? Und welche Speicher lassen sich am einfachsten in die bestehende Infrastruktur integrieren?“

Eine erste Demonstrationsanlage in Stuttgart hat die Industrietauglichkeit bereits bewiesen, ab 2012 soll eine weitere Anlage mit rund zehn Megawatt Leistung gebaut werden. „Über die Strom-Gasnetz-Kopplung erschließen wir die größte Speicherinfrastruktur, die wir in Deutschland haben. Der gesamte Ökostrom von 2010 brauchte gerade einmal ein Viertel der vorhandenen Gasspeicherkapazität“, resumiert Michael Sterner vom Fraunhofer-IWES. Für die Energie-Genossenschaft von Greenpeace „Greenpeace Energy“ ist die Idee jedenfalls so bestechend, dass sie ihren Kunden in Deutschland bereits ab Herbst einen „proWindgas“-Tarif anbieten will. Darin ist ein Aufschlag enthalten, mit dem die Entwicklung dieser Technologie und der Bau eigener Anlagen gefördert werden, die ab 2012 das erste Windgas ins Netz liefern sollen.

Holger Rubel, Energieexperte bei BCG, geht indes davon aus, dass sich mit der Zeit ein Nebeneinander mehrerer Speichertechnologien herausbilden wird: „Der tatsächliche Mix wird sich an räumlichen Gegebenheiten, politischer Durchsetzbarkeit und Kostenentwicklung der einzelnen Speichertechnologien orientieren.“

Mit Pumpspeicherkraftwerken können Stromüberschusszeiten dazu genutzt werden, um Wasserspeicher zu füllen. Bei entsprechender Nachfrage kann damit wieder Strom produziert werden.

Bei
Druckluftspeicherkraftwerken wird ein Stromüberangebot dazu genutzt, um Luft in unterirdischen Kavernen zu verdichten. Später kann mit dieser Druckluft eine Gasturbine angetrieben werden.

Weitere Informationen unter www.bcg.com

("Die Presse")

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