Kleinanlagen versorgen rund 1,6 Millionen heimische Haushalte mit Strom. Doch sie sind nicht unumstritten.
Österreich darf sich zu Recht als Wasserkraftland bezeichnen – rund zwei Drittel des heimischen Strombedarfs werden damit abgedeckt. Für den Löwenanteil sind Großwasserkraftwerke verantwortlich. Aber auch Kleinwasserkraftwerke leisten einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Stromversorgung. Bei Kleinwasserkraft Österreich, der Interessenvertretung der heimischen Kleinwasserkraftbranche, spricht man von einem Anteil von neun Prozent an der gesamten Stromproduktion.
Zusätzliches Potenzial vorhanden
Laut Geschäftsführerin Martina Prechtl sind in der Alpenrepublik derzeit 2600 Kleinwasserkraftwerke – darunter versteht man Kraftwerke, die weniger als zehn Megawatt Strom erzeugen – ans Stromnetz angeschlossen. Sie würden rund 5,5 Terawattstunden (TWh) Strom pro Jahr erzeugen, womit rund 1,6 Millionen Haushalte versorgt werden können. Dazu kommt allerdings auch eine Vielzahl an sogenannten „Inselanlagen“, die nicht ans Netz gekoppelt sind und in abgelegenen Gebieten wie etwa auf Almen die Stromversorgung sicherstellen.
Im Rahmen der „Energiestrategie Österreich“ soll die Wasserkraft bis 2015 auf 3,5 TWh ausgebaut werden. Einiges an zusätzlich nutzbarem Potenzial sieht Prechtl auch bei Kleinwasserkraftwerken. Sie verweist auf eine Studie, wonach ein Ausbau im Ausmaß von rund 2,5 TWh durchaus im Bereich des Möglichen sei – sowohl durch Neubauten als auch durch die Revitalisierung bestehender Kraftwerke. Vollkommen neu gebaut könnten 335 Kleinwasserkraftwerke werden. „Von den 1000, von denen Kritiker sprechen, kann keine Rede sein“, versichert die Expertin.
Für Helmut Belanyecz ist schon ein einziger Neubau ein rotes Tuch. „Kleinkraftwerke richten großen ökologischen Schaden an und liefern im Verhältnis dazu wenig Strom“, kritisiert der Präsident des Österreichischen Kuratoriums für Fischerei und Gewässerschutz (ÖKF). Was Belanyecz anspricht, ist das Fehlen von Fischaufstiegshilfen bei vielen dieser Anlagen. Laut einer Studie des Instituts für Elektrizitätswirtschaft und Energieinnovation (IEE) der TU Graz aus dem Jahr 2010 verfügen nur rund zehn Prozent über solche. Mehr Verständnis zeigt der ÖKF-Präsident hingegen für Großkraftwerke. Zwar würden auch bei diesen Fischtreppen oft fehlen, „um die großen Anlagen kommen wir aber nicht herum, auch wenn sie einen gewissen ökologischen Schaden anrichten“.
Fische im Turbinensog
So gibt es etwa wissenschaftliche Erkenntnisse, wonach es Weißfische wie Barben, Nasen und Nerflinge gewohnt sind, hunderte Kilometer flussauf- und -abwärts zu wandern. Während Aufstiegshilfen – soweit vorhanden – genutzt werden, ist das Problem der Abstiegshilfen laut Belanyecz immer noch nicht gelöst. Da die Fische instinktiv der stärksten Strömung folgen, um im Hochwasserfall nicht an Land getrieben zu werden, schwimmen sie direkt in die Kraftwerksturbinen. „Täglich werden so Tausende von ihnen zerstückelt“, zeichnet Belanyecz ein drastisches Bild. Abhilfe könnten nur Barrieren vor den Turbinen oder überhaupt ein Austausch der Wasserräder schaffen; was allerdings mit Energieverlusten verbunden sei.
Finanzielle Belastung
Im Gegensatz zu Großkraftwerken ist für viele Kleinkraftwerksbetreiber eine Umrüstung jedoch kaum zu stemmen. Am IEE in Graz etwa schätzt man, dass allein die Errichtung von Fischaufstiegshilfen Kosten im Ausmaß von 90 Millionen Euro verursachen würde. „Das sind gravierende Kosten, weshalb wir uns vonseiten des Gesetzgebers mehr Entgegenkommen wünschen“, so Prechtl.
("Die Presse")