Mittelständler werden zu Selbstversorgern

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Immer mehr Unternehmen produzieren neben dem Tagesgeschäft auch ihre eigene Energie.

Auf die Firmengeschichte ist man bei Riess Kelomat im niederösterreichischen Ybbsitz ganz besonders stolz. Bis in das Jahr 1550 lassen sich die Wurzeln der ehemaligen Pfannenschmiede und des heutigen Kochgeschirrherstellers zurückverfolgen. „Eine Tradition, die verpflichtet“, betont Julian Riess, der das Unternehmen heute in neunter Generation leitet. Gemeint ist damit auch der Aspekt der Nachhaltigkeit – vor allem bei der Energieversorgung.

„Unseren eigenen Strom produzieren wir schon seit Jahrzehnten“, sagt der Unternehmer. Vor 85 Jahren begannen seine Großväter mit dem Bau dreier Wasserkraftwerke an der Ybbs. „Über die Jahre haben wir die Werke immer wieder modernisieren lassen“, erinnert er sich. Mittlerweile liefern die Anlagen eine energetische Gesamtleistung von über 800 Kilowatt. „Damit decken wir etwa die Hälfte unseres gesamten Energieaufwands“, betont Riess. Auch die nächsten Schritte in puncto Energieversorgung seien bereits in Planung: Innerhalb der nächsten fünf Jahre sollen eine Wärmepumpe sowie eine Solaranlage folgen.

Mehr als „Gutmenschentum“

Unter den Energieselbstversorgern ist Riess Kelomat heute kein Einzelfall mehr. Viele Unternehmen schaffen sich mit dem betriebsinternen Ausbau erneuerbarer Energiequellen ein zweites wirtschaftliches Standbein und verbessern gleichzeitig ihre Stellung im Wettbewerb.

Dass es bei solchen Projekten um mehr als „Gutmenschentum“ geht, weiß auch Stephan Strack, Energieexperte bei der Firma Goldene Mühle im deutschen Ladbergen. In den letzten Jahren hat sein Unternehmen mehr als 20 Millionen Euro in den Aufbau eines eigenen Energieparks investiert. „Nachhaltigkeit spielt für uns sicherlich eine große Rolle“, sagt Strack. „Die Projekte sollen sich aber auch wirtschaftlich lohnen.“

Das eigentliche Geschäft seiner Firma basiert auf der Veredelung von Sonnenblumenkernen. In einer der modernsten Schäl- und Ölmühlen Europas werden im Jahr mehr als 60.000 Tonnen der kleinen Kerne geschält und anschließend weiterverarbeitet. Aus dem, was übrig bleibt, macht man neuerdings Energie: In 22 Blockheizkraftwerken werden unter anderem die Schalen der Sonnenblumenkerne in Strom und Wärme verwandelt. „Sie werden erhitzt und anschließend mit einem speziellen Bindemittel in Pelletform gepresst“, erklärt Strack. Die dazu nötige Wärme wird selbstverständlich aus dem eigenen Energiepark bezogen.

Wärme für den Flughafen

Insgesamt erzeugen die Anlagen des Unternehmens je sieben Megawatt elektrische wie thermische Energie. Der Strom wird direkt in das öffentliche Netz eingespeist, während die anfallende Wärme regional genutzt wird. „Wir hatten von Beginn an langfristige Abnehmer für unsere Prozesswärme“, sagt Strack. Über eine Fernwärmeleitung werden etwa ein örtlicher Flughafen sowie ein Gewerbepark versorgt. Selbst zur Klimatisierung kann die thermische Energie verwendet werden. Mit einer Absorptionskältemaschine wird die anfallende Wärme dazu kurzerhand in Kälte verwandelt. „Wir sichern so künftig beispielsweise die Kühlung der Server in einem benachbarten Rechenzentrum“, erklärt der Experte. Für die regionale Wirtschaft habe sich der Energiepark zu einem regelrechten Standortvorteil entwickelt: „Die Unternehmen profitieren von konkurrenzlos guten Konditionen.“ Teilweise werden grüne Energietechnologien mittlerweile sogar bewusst zu Finanzierungszwecken eingesetzt. In Ostdeutschland etwa baut die Firma SRU Solar spezielle Systemhallen, die durch integrierte Fotovoltaik-Elemente langfristige Erträge einspielen sollen.

Aufgrund der deutschen Solarförderung haben sich die Baukosten einer solchen Lagerhalle in der Regel innerhalb von 18 bis 20 Jahren vollständig refinanziert. Die bislang größte Solarhalle des Unternehmens besitzt eine Grundfläche von mehr als 13.000 Quadratmetern. „Wir wollen mit unserem Geschäftsmodell künftig auch in anderen Ländern aktiv werden“, sagt Unternehmensvorstand Sören Lorenz. „Die Sonne ist immerhin auf der ganzen Welt ein verlässlicher Energielieferant.“

Sonne für den Brauprozess

Auch Walter Neuwirth ist vom Potenzial der Sonne restlos überzeugt. Im kleinen Stil hat der Bierbrauer aus der Oststeiermark vor fünf Jahren eine zwanzig Quadratmeter große Solaranlage auf dem Dach seiner Brauerei installiert. „Mir war schon immer wichtig, dass die Natur bei uns erhalten und geschützt wird“, erklärt er. Heute liefert sein eigenes kleines Fotovoltaik-Kraftwerk genügend Strom für den gesamten Brauprozess. „Mein Bier ist jetzt Solarbier“, sagt Neuwirth stolz. Mit ein bisschen Fantasie schmeckt man das vielleicht sogar . . .

("Die Presse")

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