Studentenwahl. Nach der ÖH-Wahl bleiben die Mehrheitsverhältnisse unklar. Allein die roten Studenten konnten sich früh über Zugewinne freuen.
Wien. Die Nervosität unter den Studentenvertretern war am späten Donnerstagnachmittag bereits groß. Noch bevor die ersten Ergebnisse der ÖH-Wahl bekannt wurden, zeigte sich die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft (AG) optimistisch, wie auch bei der letzten ÖH-Wahl 2009, stimmenstärkste Fraktion zu werden. Ein Erfolg für alle Studentenvertreter: Die Wahlbeteiligung stieg.
Erste Ergebnisse der 21 Universitäten wurden erst am Abend, nach Redaktionsschluss, bekannt. Und dennoch: Die grünen Studenten der Gras, die mit Sigrid Maurer derzeit den ÖH-Vorsitz stellen, zeigten sich schon am Nachmittag zurückhaltend. Dass die Gras die AG diesmal tatsächlich als stimmen- und mandatsstärkste Fraktion ablösen wird, hat kurz vor Wahlschluss auch unter den grünen Studenten kaum noch jemand geglaubt. Oder, anders formuliert: Es gebe zumindest keine Anzeichen dafür, hieß es aus Gras-Kreisen. Bereits 2009 musste man sich mit dem zweiten Platz begnügen. Eine absolute Mehrheit der AG werde es diesmal aber ebenso wenig geben, so die Vermutung.
Neben AG und Gras stellten auch die Fachschaftslisten (FLÖ) vor Beginn der Wahlen den Anspruch, stimmenstärkste Fraktion zu werden. Aber auch sie zeigten sich bereits vorab geschlagen. Sollte man nach Veröffentlichung des Endergebnisses Platz eins einnehmen, so wäre das „etwas überraschend“, so Spitzenkandidat Martin Schott. Dabei fing der Wahlabend für die FLÖ gut an: Die ersten beiden Endergebnisse lieferte das Mozarteum Salzburg bzw. die Kunst-Uni Linz. An beiden Unis trat die FLÖ als einzige wahlwerbende Gruppe an und sicherte sich damit die ersten beiden Mandate. Dennoch: An einem möglichen Wahlsieg der AG wollte auch FLÖ-Spitzenkandidat Schott nicht zweifeln. Klar werde dieser aber nicht ausfallen, so seine Prognose.
Die gute Stimmung in der AG baute vor allem auf der zu erwartenden höheren Wahlbeteiligung auf. Bei den Wahlen 2009 erreichte diese mit 25,7 Prozent den historischen Tiefstwert. „Die zu erwartende höhere Beteiligung spielt uns in die Hände“, sagt ein AG-Funktionär. Denn nicht nur an der Uni Wien, sondern auch an der umkämpften Uni Innsbruck zeichnete sich eine stark steigende Wahlbeteiligung an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten ab. Diese gelten als traditionelle Hochburgen der AG. Dass die AG ihre Wähler gut mobilisieren konnte, zeigte auch die Wahlbeteiligung an der AG-geführten Med-Uni Wien, die am späten Nachmittag schon bei knapp 52 Prozent lag.
Die Wahlbeteiligung an der geisteswissenschaftlichen Fakultät der Uni Innsbruck blieb indes vergleichsweise gering. Die AG stimmt das zuversichtlich, denn vor allem die Geisteswissenschaften sind ein schweres Pflaster für die ÖVP-nahe Fraktion und Terrain der Linken. Trotz Zuversicht kämpfte auch die AG selbst bis zuletzt um jede einzelne Stimme. Denn auch für sie zeichneten sich an einigen Unis Stimmenverluste ab. Etwa an der Wirtschaftsuniversität Wien, an der sie bisher die Zweidrittelmehrheit hielten. Hier fischten vor allem die Julis im gleichen Wählerteich.
Wer wen als Partner ausschließt
Gerade für die AG ist jedes zusätzliche Mandat wichtig. Denn letztlich zählt für sie nur eine absolute Mehrheit im Studentenparlament. Denn nicht nur die Gras, sondern auch der Verband Sozialistischer Studierender (VSStÖ) schließt die AG als Koalitionspartner aus. Auch die Fachschaftslisten bieten sich als Koalitionspartner nur bedingt an. Der fehlende Klubzwang in der FLÖ macht eine Zusammenarbeit schwierig und brachte schon einmal eine Koalition zum Scheitern.
Sollte die AG die absolute Mehrheit tatsächlich nicht erreichen, scheint eine linke Exekutive wahrscheinlich. Abzuwarten bleibt aber nicht nur, ob sich eine Koalition zwischen Gras und VSStÖ rein rechnerisch ausgehen wird, sondern auch, ob der VSStÖ einer Zusammenarbeit – unter Führung der Gras – zustimmen würde. Neben den Fachschaftslisten könnten auch die FH-Vertreter das Zünglein an der Waage sein. Denn diese haben bis 10. Juni Zeit, ihre Mandatare zu wählen. Ob und wem sie sich anschließen, bleibt offen.
Auf einen Blick
Bis 29.Juni muss der neue ÖH-Chef feststehen. Denn dann trifft sich das bundesweite Studierendenparlament zur konstituierenden Sitzung. Dort wird die ÖH-Exekutive gewählt. Gibt es nach drei Wahlgängen keine Koalition mit fixer Mehrheit, wird derjenige neuer Vorsitzender, auf
den im vierten Wahlgang die relativ meisten Stimmen entfallen.
Stärkste Fraktion bei der letzten Wahl im Jahr 2009 war die ÖVP-nahe AG. Die Exekutive stellten aber die grünen Studenten der Gras und die Fest – ein Zusammenschluss von FH-Mandataren. Die Ergebnisse von 2009 (Mandate in Klammer): AG 33,3 Prozent (22); Gras 20,3 (15); FLÖ 18,5 (16); VSStÖ 14,8 (8); RFS 2,9 (1); KSV 2 (1); KSV-Lili 1,7 (1); Julis 1,6 (0).
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2011)