Sonntagsöffnung: Minister für fallweises Offenhalten

Einkaufen am Sonntag: Der Verfassungsgerichtshof kat über eine Klage von Kaufleuten zu entscheiden
Einkaufen am Sonntag: Der Verfassungsgerichtshof kat über eine Klage von Kaufleuten zu entscheiden(c) (Fabry Clemens)
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Mitterlehner bekundet Sympathie für ein selektives Offenhalten der Geschäfte.
Die Landeshauptleute und auch der ÖAAB sind dagegen.

In der seit Jahrzehnten laufenden Debatte um längere Ladenöffnungszeiten wird gerade ein neues Kapitel geschrieben. In der aktuellen Diskussion geht es um die Erlaubnis, an bestimmten, besonders umsatzträchtigen Sonntagen offen zu halten.

In der ORF-Sendung "Im Zentrum" prallten die beiden Gruppen pro und contra Sonntagsöffnung wieder einmal aufeinander: Auf der einen Seite eine Gruppe von Händlern, die einen Kaufkraftabfluss ins grenznahe Ausland befürchten, auf der anderen Seite die "unheilige" Allianz von Handelsgewerkschaftern und Kirche, ergänzt durch die Handelssparte der Pflichtvertretung Wirtschaftskammer. Der für den Handel zuständige VP-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner ist um Ausgleich bemüht und ließ seine Sympathie für ein selektives Offenhalten der Geschäfte an Sonntagen durchblicken.

Landeshauptleute dagegen

Die Landeshauptleute der Bundesländer von Wien, Oberösterreich, Salzburg und der Steiermark stehen den Aussagen Mitterlehners geschlossen ablehnend gegenüber. Eine weitergehende Öffnung an Sonntagen wolle man sicher nicht", formulierte etwa Josef Pühringer.

Auch VP-Ministerkollegin Johanna Mikl-Leitner, Chefin des ÖAAB, hält die gegenwärtigen Öffnungszeiten für ausreichend. Nach Ansicht der Grünen ArbeitnehmerInnensprecherin Birgit Schatz würde die Sonntagsöffnung den Arbeitnehmern sowie kleinen Betrieben schaden, was für die Grünen "inakzeptabel" sei. Die Tiroler Wirtschaftslandesrätin Patrizia Zoller-Frischauf (ÖVP) hat sich zwar gegen eine generelle Sonntagsöffnung ausgesprochen, drei Tiroler Shopping-Sonntage pro Jahr würden aber "Sinn machen", erklärte sie. Der Handel ändere sich ständig und deshalb brauche es "hier auch zeitgemäße Rahmenbedingungen", meinte Zoller-Frischauf.

Katzian: "Wir werden dem nicht zustimmen"

Einkaufszentrumsbetreiber Richard Lugner, der eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof einbringen will, sieht die Erwerbsfreiheit der Kaufleute eingeschränkt. Zudem fordert er gleiches Recht für alle und argumentiert, dass auch Bäcker, Lebensmittelhändler an bestimmten Bahnhöfen und Kaufleute in Tourismuszentren an Sonntagen offenhalten dürfen. Neben Lugner gelten auch Markus Pichler, Chef des größten heimischen Einkaufszentrenbetreiber Unibail-Rodamco (SCS, Donauzentrum, etc.), und Interior-Chefin Janet Kath als Befürworter.

Der Boss der Privatangestelltengewerkschaft GPA, Wolfgang Katzian sagte, die Gewerkschaft werde bei besonderen Situationen weiterhin mit sich reden lassen. Generell gelte aber: "Wir stehen auf der Seite der Handelsangestellten und werden dem nicht zustimmen."

Kirche, Kammer und Gewerkschaft einig

Vorbehalte äußerte auch Fritz Aichinger, Sprecher der Händler in der Wirtschaftskammer, der schätzte, dass 90 Prozent der Handels-Mitglieder gegen ein Aufsperren am Sonntag seien: Ein offener Sonntag benachteilige einmal mehr die Geschäfte in schlechteren Lagen und bringt nur den Unternehmen mit wenigen Mitarbeitern wie Diskontern Vorteile.

Gewerkschaft und Sonntagsöffnungs-Skeptiker im Handel bekamen Unterstützung von Peter Schipka von der Österreichischen Bischofskonferenz, der die von den Befürwortern bemühten gesellschaftlichen Veränderungen für seine Position in Anspruch nahm: "Gerade wegen der gewandelten Zeiten braucht es heute einen Tag des Verschnaufens." Wie wichtig die Thematik innerhalb der katholischen Kirche gehandelt wird zeigt die Tatsache, dass sich die Österreichische Bischofskonferenz  bei ihrem aktuellen Zusammentreffen am Montag mit der Sonntagsladenöffnung befassen wird.

Wirtschaftsminister Mitterlehner forderte Wiener Händler und Gewerkschaften auf, Gespräche dazu aufzunehmen. Der Wiener Bürgermeister solle danach die bereits vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten ausschöpfen und eine Verordnung erlassen. Mitterlehner glaubt, dass mit der Entscheidung des Verfassungsgerichtshof im kommenden Frühjahr eine neue Regelung auf bundespolitischer Ebene notwendig werden könnte. Ein anlassbezogenes Offenhalten kann sich der Minister vorstellen. Österreich könne sich den gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte nicht versperren. In Richtung katholischer Kirche sagte der frühere Generalsekretär der Wirtschaftskammer, dass es auch Ländern wie dem sehr katholischen Polen gelungen ist, einen Ausgleich zwischen Kirche und Wirtschaft zu schaffen.

Europäische Allianz für freien Sonntag

Gut 50 Organisationen aus den Bereichen Zivilgesellschaft, Kirchen und Gewerkschaften haben unterdessen in Brüssel eine europäische Allianz für den freien Sonntag gegründet. Ziel der Initiative ist es unter anderem, den freien Sonntag in die Arbeitszeitrichtlinie der EU aufzunehmen, heißt es am Montag in einer Aussendung. Zentrale Inhalte der Gründungserklärung seien die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, die bessere Vereinbarkeit von Arbeit, Familie und Privatleben und der soziale Zusammenhalt. In Österreich gibt es die Allianz für den freien Sonntag bereits seit vielen Jahren.

(APA)

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