"Die Beweislast gegen Mladić ist erdrückend"

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Der Chefankläger des Haager Jugoslawien-Tribunals im Interview über die jahrenlange Jagd auf General Mladić und eine Neuaufrollung des Verfahrens gegen den ehemaligen kosovarischen Premier Haradinaj.

Die Presse: Ich nehme an, Sie erinnern sich noch sehr genau an den 26.Mai? Wie erfuhren Sie an diesem Tag von der Verhaftung des mutmaßlichen bosnisch-serbischen Kriegsverbrechers Ratko Mladić?

Serge Brammertz: Ich war zu diesem Zeitpunkt auf den kroatischen Brioni-Inseln mit 40 Staatsanwälten aus dem ehemaligen Jugoslawien. Mit dabei war interessanterweise auch Staatsanwalt Vladimir Vukčević, der in Serbien für die Verfolgung von Kriegsverbrechen verantwortlich ist. Früh morgens bekam ich einen Anruf, dass ein Mann verhaftet wurde, bei dem es sich vermutlich um Ratko Mladić handle. Gemeinsam mit Vukčević wartete ich die Ergebnisse des DNA-Tests ab, dann reisten wir beide vorzeitig ab.

Wer hat Sie informiert?

Brammertz: Ein Koordinator für die Jagd auf Mladić. Ich möchte keine Namen nennen.

Sie hatten kurz davor die serbischen Ermittlungen im Fall Mladic als völlig erfolglos bezeichnet. Bereuen Sie diesen Bericht?

Brammertz: Ich bereue diesen Bericht keine Sekunde, denn er entsprach der Wirklichkeit. Nach der Festnahme von Radovan Karadžić im Juli 2008 hatten wir zwei Mal vorsichtig positive Berichte geschrieben, weil wir davon ausgingen, dass nun auch die Festnahme Mladićs bevorstehe. Doch dies war nicht der Fall. Ab 2009 und besonders 2010 kritisierten wir mehrmals, dass Serbien breiter ermitteln und verschiedene Spuren gleichzeitig verfolgen müsse und dabei nicht nur Nachrichtendienste, sondern verstärkt auch Polizeieinheiten einsetzen solle. Ich war im Februar in Belgrad, ein Monat früher als sonst, und sagte in der Frühwarn-Mission ganz klar: Wenn sich bei den serbischen Ermittlungen nichts grundsätzlich ändert, wird mein Mai-Bericht an den UN-Sicherheitsrat negativ ausfallen.

Jetzt hat es auch so geklappt.

Brammertz: Wir sind froh, dass zwischen dem Zeitpunkt, an dem der Bericht hinterlegt wurde und meiner Präsentation im Sicherheitsrat, Serbiens Polizei anfing, intensiver mitzuarbeiten und einige unserer Vorschläge in die Tat umzusetzen. Es ist der Verdienst der serbischen Dienste, dass Mladić verhaftet wurde. Aber wir nehmen schon auch in Anspruch, dass wir einen Beitrag leisteten.

Warum hat der serbische Eifer nach der Verhaftung Karadžićs zunächst wieder nachgelassen? Weil der internationale Druck sank?

Brammertz: Wir waren 2008 optimistischer, weil eine Reihe leitender Beamter in den serbischen Diensten ersetzt wurde. Und zwei Wochen später wurde Karadzic ja auch festgenommen. Ab diesem Zeitpunkt hat das neue Team auch stark rückwärts gearbeitet, um zu sehen, welche Ermittlungswege nicht verfolgt wurden und wo man wissentlich in die falsche Richtung geschickt wurde.

Zu welchem Schluss kam man?

Brammertz: 2006 wurden einige Personen festgenommen, die vermeintliche Mitglieder von Mladićs Helfer-Netzwerk waren. Mladić selbst wurde damals vorgewarnt und konnte fliehen.

Staatsanwalt Vukčević sagte, dass es ein Leck gab bei den Ermittlungsbehörden.

Brammertz: Deshalb konnte Mladić 2006 nicht verhaftet werden.

Wo war Mladić 2006?

Brammertz: In der Nähe von Belgrad.

Im selben Gebäude wie seine damals verhafteten Helfer?

Brammertz: Nein, aber in derselben Gegend. Als die Hausdurchsuchung bei seinen Mittelsmännern lief, war er in Sichtweite und konnte rechtzeitig flüchten.

Das heißt: Es gab immer jemanden im serbischen Sicherheitsapparat, der Mladić vorgewarnt hat.

Brammertz: Heute sagt man natürlich, Serbien hat tolle Arbeit gemacht. Alle haben Präsident Boris Tadić gratuliert. Aber man darf deshalb nicht die Vergangenheit ignorieren. Der Haftbefehl gegen Mladić existiert seit 1995. In den ersten Jahren liefen Karadžić und Mladić frei durch die Gegend und wurden in Fußballstadien mit Standing Ovations begrüßt. 2000 sind sie dann von der Bildfläche verschwunden, wurden aber von der Armee geschützt. Bis 2005 hat Mladić noch seine Pension bekommen. In den ersten Jahren wurde gar nichts gemacht, um Mladić festnehmen. Danach sollte der Eindruck erweckt werden, dass er gesucht wird. Aber er wurde nicht gesucht. Wie wir jetzt gesehen haben, hatte Mladić keine große Anzahl von Bewachern. Wir haben die Serben nach der Verhaftung Mladićs gefragt, warum das so lange gedauert hat. Das wird jetzt überprüft.
Wobei: In einem Umfeld, in dem die Mehrheit der Bevölkerung Mladić noch immer als einen Helden betrachtet, ist es für die Ermittler natürlich nicht einfach, erfolgreich zu sein. Aus einer Meinungsumfrage, die die Regierung zwei Wochen vor der Verhaftung Mladićs in Auftrag gegeben hatte, ging hervor, das 78 Prozent der serbischen Bevölkerung keine Informationen über den Verbleib Mladićs geben würden, wenn sie wüssten, wo er wäre.

Es gab schon viele Bemühungen, die Vergangenheit aufzuarbeiten, nicht zuletzt auch von Ihrem Tribunal. Wie ist es möglich, dass viele Serben in Mladić noch immer einen Helden sehen.

Brammertz: Das ist auch heute noch immer das größte Problem, nicht nur in Serbien, auch in Kroatien und Bosnien. Die Versöhnung wird sehr stark dadurch erschwert ist, dass die meisten Personen, die vor Gericht stehen, für die einen Kriegsverbrecher und für die anderen immer noch Helden sind. Es ist schwer zuzugeben, dass man sich in Leuten, denen man jahrelang blind gefolgt ist, geirrt hat und eigentlich einem Kriegsverbrecher nachgelaufen ist.

Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die Verhaftung Mladićs?

Brammertz: Das ist extrem wichtig. Ich war vergangenes Jahr zum ersten Mal in meinem Leben in Srebrenica. Es war sicherlich das beeindruckendste Erlebnis, das ich in den vier Jahren als Chefankläger des Tribunals hatte.

Warum?

Brammertz:Ich habe einen Tag mit den Müttern von Srebrenica verbracht. Sie berichteten von den Tagen im Juli 1995, von den letzten Minuten, die sie mit ihren Söhnen oder ihrem Mann verbracht haben. Eine der Mütter hat 42 Familienmitglieder verloren, ihren Vater, ihren Mann, ihre Brüder, ihre Söhne, ihre Neffen, ihre Vetter. Von einem ihrer Söhne hat man bis heute nicht die Leiche gefunden. Da sagte eine andere Mutter, sie könne sich noch glücklich schätzten, dass man von ihrem Sohn den Arm und den Kopf in zwei unterschiedlichen Massengräbern gefunden hat.
Nach der Hinrichtung der Soldaten und Jugendlichen in Srebrenica wurden die Leichen zuerst in Massengräbern verscharrt. Und als es dann in Richtung Ermittlungen ging, hat man in Nacht- und Nebelaktionen die großen Massengräber in Hunderte kleine aufgeteilt. Weil man dabei schweres Gerät verwendete, wurden mehrere Leichen in Stück gerissen. Noch heute werden jedes Jahr mehrere 100 Leichenteile gefunden.
Die einzigen Helden sind für mich die Opfer und die Zeugen, die trotz der Zerstörung ihres Lebens noch immer den Mut und die Kraft haben, sich für die Justiz einzusetzen.

Wie stark haben diese Begegnungen in Srebrenica Ihre Arbeit beeinflusst?

Brammertz: Als Staatsanwalt muss man natürlich immer eine gewisse Distanz wahren. Aber nach meinem Besuch in Srebrenica wusste ich, dass es richtig ist, Politikern lästig zu fallen und auf die Verhaftung Mladićs pochen.

Es gab Zweifel in einzelnen europäischen Hauptstädten, ob man denn wirklich den Weg Serbiens in die EU blockieren sollte, nur weil Mladić nicht verhaftet war. Standen Sie wegen Ihrer harten Linie politisch unter Druck?

Brammertz: Politisch unter Druck wurde ich nicht gesetzt. Aber es war extrem erfolgreich, eine Konditionalität zwischen der EU-Integration Serbiens und der Verhaftung Mladićs herzustellen. Wenn ich in vier Jahren in diesem Job etwas gelernt habe, dann dies: Druck führt am ehesten zu Fortschritten.

Gibt es diese Konditionalität auch in Bezug auf den letzten gesuchten serbischen Kriegsverbrecher, Goran Hadžić?

Brammertz: Die gibt es noch. Alle 27 Mitgliedstaaten haben im Oktober im EU-Rat festgehalten, dass eine vollständige Zusammenarbeit mit dem Tribunal verpflichtend auferlegt und der beste Beweis für den Kooperationswillen die Verhaftung Mladićs und Hadžićs ist.

Mladić ist jetzt verhaftet.

Brammertz: Es ist an der EU, im Laufe dieses Jahres zu entscheiden, ob Serbien den Kandidatenstatus erhält. Das ist nicht unser Job. Ich habe bei der Ankunft von Mladic in Den Haag gesagt, dass Serbien nun eine wichtige internationale Verpflichtung erfüllt habe, aber auch Hadžić festgenommen werden müsse. Er ist weniger bekannt, aber auch er ist verantwortlich für Hunderte Opfer und schwerwiegende Verbrechen in Kroatien. Für das individuelle Opfer spielt es keine Rolle, wie prominent der Täter oder ob man eines von 50 oder 50.000 Opfern ist. Wir werden uns nicht zufrieden geben, solange Hadžić nicht festgenommen ist.

In Srebrenica wurden 8000 Männer und Buben getötet. Warum bezeichnen sie dies als Völkermord?

Brammertz: Zuerst möchte ich sagen, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen auch ganz schwerwiegende Verbrechen sind. Der Unterschied ist, dass hinter Völkermord die Absicht steht, eine Volksgruppe teilweise oder gänzlich zu vernichten.

Wie wollen Sie das Mladić nachweisen?

Brammertz: Es gab schon in der Vergangenheit Verteilungen von hohen serbischen Offizieren, in denen das Massaker in Srebrenica als Völkermord bezeichnet wurde.

Welche Beweise haben Sie gegen Mladić?

Brammertz: Die Beweisführung erfolgt letztlich immer im Gericht. Aber es fanden schon eine Reihe von Gerichtsverfahren in Bezug auf Srebrenica statt. Es sind militärische Befehle belegt, auch schriftliche. Es gibt aufgezeichnete Telefongespräche, die sehr bekannten Videobilder, es gibt Zeugenaussagen. Die Beweislast gegen Mladić ist erdrückend. Wir sind als Anklagebehörde zuversichtlich, dass wir eine Verurteilung erwirken werden. Aber entscheiden über Schuld und Unschuld müssen am Ende eines fairen Prozesses die Richter.

Hatten Sie die Möglichkeit, mit Mladić seit seiner Ankunft hier in den Haag persönlich zu sprechen?

Brammertz: Nein, das beabsichtige ich auch nicht.

Und warum nicht?

Brammertz: Wenn ich ihn treffen würde, dann müsste es eine formelle Vernehmung sein, im Beisein seines Rechtsbeistands. Aber das würden gegebenenfalls meine spezialisierten Mitarbeiter erledigen. Ich treffe mich mit einem Beschuldigten ja nicht für einen Small Talk.

Bis zu welchem Grad sind sie in Ihrer Arbeit auf die Kooperation von Behörden angewiesen? Wie groß sind eigenständige Ermittlungsmöglichkeiten des Tribunals im ehemaligen Jugoslawien?

Brammertz: Bevor ich auf internationaler Ebene tätig wurde, war ich 14 Jahre Staatsanwalt in Belgien. Einer der großen Unterschiede ist natürlich, dass man nationaler Ebene in einem klaren rechtlichen Rahmen agiert, Kontrolle über das Territorium hat, einen Haft- und Durchsuchungsbefehl erwirken kann, die Unterstützung der Politik und der öffentlichen Meinung hat und sich zu 90 Prozent auf die juristische Arbeit konzentrieren kann und nur zu 10 Prozent auf das Rechtshilfeersuchen. Auf internationaler Ebene ist das ganz anders. In Den Haag sind wir vollständig angewiesen auf die Zusammenarbeit der Behörden, in deren Territorium wir ermitteln, aber auch auf auch die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, die Einfluss auf diese Länder hat. Der Sicherheitsrat hat uns das Mandat für das Tribunal gegeben, aber wir haben keine eigene Armee oder Polizei. Wir können nicht vor Ort fliegen und dann versuchen, Verhaftungen vorzunehmen oder Gebäude zu durchsuchen. Wir hängen stark von der lokalen Justiz war. Das Gericht wurde 1993 geschaffen, zwei Jahre vor dem Massaker in Srebrenica. Erst 1996 konnte der erste Ermittler des Tribunals vor Ort gehen könnte. Das war damals aus Sicherheitsgründen gar nicht anders möglich. In den ersten Jahren des Tribunals, als Milošević an der Macht in Belgrad war, war es sehr schwierig. Auch Kroatien hat in den ersten Jahren die Zuständigkeit des Gerichts einfach nicht akzeptiert. Erst in den letzten Jahren, nachdem pro-westliche Regierungen an das Ruder gekommen waren, hat sich die Situation verändert.

Welche Geheimdienste waren hilfreich für ihre Arbeit?

Brammertz: Darüber kann ich keine Angaben machen. Aber es ist natürlich so, dass man in meiner Funktion Kontakte zu Nachrichtendiensten hat. Das geht gar nicht anders. Einzelne Mitarbeiter von Diensten haben sogar als Zeugen ausgesagt.

Wie beeinträchtigend war es für die Vergangenheitsbewältigung, dass Serbiens Ex-Präsident Milošević Prozess-Ende starb?

Brammertz: Es war extrem bedauerlich und frustrierend für die Opfer der Region. Sie wollten ihn verurteilt sehen für die Verbrechen, deren er angeklagt war. Es war ein sehr umfangreiches Verfahren, es hat sehr lange gedauert. Es hat viele Verzögerungen gegeben, unter anderem dadurch, dass der Angeklagte sich selber vertreten hat. Ich kann auch nicht voraussagen, wie sich die Gesundheit der jetzigen Angeklagten entwickeln wird.

Mladićs Verteidiger behauptet, sein Mandat sei krank. Es war die Rede von Herzinfarkten, Hirnschlag und Lymphdrüsenkrebs.

Brammertz: Ich bitte um Verständnis, dass wir als Gericht keine Detailinformationen über den Gesundheitszustand eines Angeklagten geben dürfen. Bei Mladićs erstem Erschienen vor Gericht gab es einen offenen Teil, in dem es um die Beschuldigungen ging. Und dann hat es ein halbstündiges Gespräch unter Ausschluss der Öffentlichkeit gegeben, in dem es eher um den Gesundheitszustand ging. Zwei Dinge kann ich jedoch dazu sagen: Die serbischen Behörden waren nach entsprechenden medizinischen Untersuchungen der Meinung, dass Mladić ohne Probleme transportfähig sei. Und auch sein erster Auftritt vor Gericht ging problemlos vonstatten. Dass Mladić nicht in bester Gesundheit ist, kann jeder sehen. Aber wir gehen im Moment nicht davon aus, dass dies ein Verfahren unmöglich macht.

Ab welchem Punkt ist ein Verfahren unmöglich?

Brammertz: Es obliegt den medizinischen Experten zu beurteilen, ob jemand physisch, psychisch und intellektuell in der Lage ist, einem verfahren zu folgen, Bisher gibt es noch keine abschließenden Berichte. Aber wir gehen davon aus, dass die bisher angesprochenen medizinischen Probleme einem Verfahren nicht im Wege stehen.

Warum zieht sich das Verfahren gegen Karadzic so in die Länge?

Brammertz: Wir haben die ursprüngliche Anklageschrift um einen großen Teil reduziert und auch Maßnahmen getroffen, um Zeit bei der Präsentation unseres Falles einzusparen. Aber Karadzic hat natürlich das Recht, die Zeugen auch ins Kreuzverhör zu nehmen. Das hat zur Folge, dass 70 Prozent der Zeit im Gerichtsaal durch Karadžić genutzt wird. Deswegen dauert alles viel länger.

In den Nürnberger Prozessen war eine große Befürchtung der Ankläger, dass Nazi-Größen wie Göring das Tribunal als Bühne für Ihre Propaganda gebrauchen. Spielt das auch bei den Verfahren hier in Den Haag eine Rolle.

Brammertz: Offiziere neigen eher dazu, weniger Zeit in Anspruch zu nehmen. Politiker verwenden das Tribunal als Plattform für ihre Propaganda. Für uns ist das überhaupt nicht problematisch, weil es ja unterstreicht, in welcher Geisteshaltung die Straftaten begangen wurden. Denn die dieselbe Geisteshaltung zeigt sich auch im Gerichtsaal. Aber für die Opfer in der Region ist das sehr schwer zu verkraften, dieselben Lügen wie vor 15 Jahren zu hören.

Von serbischer Seite wurde der Freispruch des Kosovaren-Führers Ramush Haradinaj kritisiert. Es entstand der Eindruck, man gehe mit Serbiens Gegnern milder um.

Brammertz: Egal, ob in Kroatien, Serbien oder im Kosovo, es ist die Tendenz da, auf die anderen zu schauen und sich über die Verurteilung eigener Landsleute zu empören. Wir haben Berufung gegen den Freispruch von Haradinaj eingelegt; es wurde teilweise stattgegeben. Wir hatten als Ankläger kein faires Verfahren. Schlüsselzeugen erschienen nicht vor Gericht, weil sie massiv bedroht worden waren. Das hat zum Freispruch aus Mangel an Beweisen geführt. Es gab am Ende des Verfahrens keine Zweifel, dass Mitglieder der Kosovo Liberation Army für die fraglichen Morde verantwortlich waren. Problematisch zu beweisen war die direkte Beziehung zwischen den Tätern und Haradinaj als politischem Führer. Nach dem Sommer wird es ein zweites Haradinaj-Verfahren geben.

Warum sollen die Zeugen jetzt kommen?

Brammertz: Wir arbeiten hart daran. Das ist Sinn und Zweck des neuen Verfahrens.

Wie lange wird es das Jugoslawien-Tribunal noch geben?

Brammertz: Wir gehen davon aus, dass dieses Tribunal in der jetzigen Form bis 2015 bestehen wird. In der Zwischenzeit wird eine kleinere Nachfolgeinstitution geschaffen, die auch nach Schließung des Tribunals verbleibende Funktionen übernehmen kann, Zeugenschutzprobleme oder vorzeitige Haftentlassungen etwa. Die Länder des ehemaligen Jugoslawien stellen bei uns über 100 Rechtshilfeersuchen pro Jahr. Früher das war umgekehrt. Wir haben hier in der Anklagebehörde sieben Millionen Dokumente. Verbindungsstaatsanwälte aus Serbien, Bosnien und Kosovo sind mittlerweile integriert in meinem Büro und haben Zugang zu unseren Daten. Ich habe Politiker gehört, die nach der Festnahme von Mladić sagten, ein Kapitel sei zu Ende, man könne jetzt nach vorne schauen. Auch wenn das Tribunal in ein paar Jahren geschlossen werden sollte, warten ja auch danach noch immer Hunderte mögliche Verfahren gegen Täter niedrigerer Ränge. Ohne diese Verfahren wird das Kapitel nie abgeschlossen werden können.

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