Die Zeit des politischen Wandels in Zypern ist reif.: Nach der Explosionskatastrophe mit zwölf Toten dauern die Demonstrationen gegen Präsident Dimitris Christofias weiter an. Die Behörden reagieren mit Gewalt.
Nikosia/Wien/Ag./Had. Die Zeit des politischen Wandels in Zypern ist reif. Zumindest für jene Demonstranten, die nach der Explosion in einem Munitionslager den Rücktritt ihres Präsidenten Dimitris Christofias fordern. Der Unfall in einem Marinestützpunkt im Süden der Insel hatte zwölf Menschen das Leben gekostet, 62 waren dabei verletzt worden.
Momentan sei die Lage in Nikosia zwar ruhig, Stromausfälle sorgen jedoch weiter für Verkehrschaos, berichtet Patrick Dewhurst, Journalist der „Cyprus Mail“, im Gespräch mit der „Presse“.
Tränengas gegen Zivilisten
Seit Montag herrscht in Zypern dreitägige Staatstrauer, doch die Straßen in Nikosias Altstadt sind lauter als zuvor. Der Zorn von mehr als 3000 Demonstranten entlud sich am Dienstagabend, als sie versuchten, den Präsidentenpalast zu stürmen. Mitschuld am Unglück wird dem Staatschef gegeben, seiner linken Regierung werfen auch Medien Nachlässigkeit und Inkompetenz vor. Die Behörden haben mit Tränengas und Schlagstöcken reagiert. Laut Augenzeugen ergreift die Polizei härteste Maßnahmen gegen Demonstranten. Einige von ihnen trugen Schnitt- und Schürfwunden davon, andere verloren sogar das Bewusstsein.
„Schwarzer Juli für das Land“
Experten hatten die Regierung vor der bestehenden Explosionsgefahr jener Munition gewarnt, die Behörden 2009 auf einem russischen Frachter aus dem Iran sichergestellt und auf der Marinebasis „Evangelos Florakis“ gelagert hatten. Die Ware war für Syrien bestimmt. Damals hatte die Regierung den Experten kein Gehör geschenkt, jetzt scheint sie den Preis dafür zu bezahlen.
Während Verteidigungsminister Kostas Papakostas zurückgetreten ist, drückt Zyperns Präsident Christofias seine Betroffenheit mit einem historischen Vergleich aus: „Es ist ein weiterer schwarzer Juli für unser Land und unser Volk.“ Im Juli 1974 war die Insel im Mittelmeer nach kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen griechischen Nationalisten und dem türkischen Militär geteilt worden.
Präsident wollte Assad beruhigen
Depeschen der US-Botschaft vom August 2009, enthüllt von WikiLeaks, bestätigen, dass der zypriotische Staatschef seinen Amtskollegen Bashir al-Assad im Herbst 2009 besuchen und nicht verärgern wollte. Aus Rücksicht auf Syrien sei er gegen eine rasche Entsorgung der Munition gewesen.
Der Unfall schadet vor allem Zyperns ohnehin angeschlagener Wirtschaft. Das Budgetdefizit beläuft sich derzeit auf 5,1% des BIPs und liegt damit über den EU-Vorgaben. Der kommunistische Präsident hat sich bis jetzt allen anstehenden Reformen widersetzt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2011)