Justizexperte: „Golowatow zu früh enthaftet“

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Man hätte den Fall wie ein normales Auslieferungsbegehren behandeln müssen, sagt Experte Robert Miklau. Litauen erwägt auch Haftbefehl gegen damaligen UdSSR-Staatschef Gorbatschow.

Wien/Aich/Ag. Dass der Ex-KGB-Kommandant Michail Golowatow rasch freikam, stößt nun auch beim einst obersten Strafrechtler Österreichs auf Kritik: „Ich sehe nicht ein, warum er nach 22 Stunden enthaftet wurde, das war unnötig“, sagt Robert Miklau, langjähriger Leiter der Straflegislativsektion im Justizministerium. Wenn belegt sei, dass der von Litauen gesuchte Golowatow zum Zeitpunkt der vermuteten Untaten Kommandant war, „gibt es Anlass, die Vorwürfe näher zu prüfen“, sagt der pensionierte Topbeamte zur „Presse“.

Miklau betont freilich, dass die Voraussetzungen für einen Europäischen Haftbefehl nicht vorlagen. Man hätte den Fall aber wie ein normales Auslieferungsbegehren behandeln müssen. Das heiße, dass die Verdachtsmomente zu untersuchen sind. Und dafür hätte man sich mehr Zeit lassen sollen. Nicht glücklich ist Miklau, wie sich die Anklagebehörde im Fall Golowatow nach außen hin präsentiert hat. So habe man schlecht kommuniziert, warum der Europäische Haftbefehl nicht gelten kann (die Taten sollen sich 1991, lange vor der Schaffung des Europäischen Haftbefehls ereignet haben). Dass nun von mehreren Seiten von einem mangelnden Vertrauen in die Justiz gesprochen wird, stößt Miklau aber auch sauer auf. Hier habe die Staatsanwaltschaft gehandelt. Der klassischen Justiz, den Gerichten, könne kein Vorwurf gemacht werden.

„Gorbatschow vorladen“

Der litauische Außenminister Audronius Azubalis erinnerte unterdessen, dass das Ergebnis der kommende Woche in Wien tagenden litauisch-österreichischen Expertengruppe zum Fall Golowatow entscheidend für die Zukunft der Beziehungen zwischen den beiden Ländern sei.

Litauen erwägt nun sogar im Zusammenhang mit der „Blutnacht von Vilnius“, auch gegen den ehemaligen sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow einen Europäischen Haftbefehl zu erlassen. Gorbatschow solle zumindest als Zeuge vorgeladen werden, sagte Azubalis am Mittwoch vor Journalisten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28. Juli 2011)

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