England: Großaufgebot der Polizei stoppt Krawalle

Die Verhaftung eines Randalierers am Dienstag in Birmingham.
Die Verhaftung eines Randalierers am Dienstag in Birmingham.(c) REUTERS (DARREN STAPLES)
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In der Nacht hat sich die Lage in Englands Städten erstmals seit dem Wochenende beruhigt. Erste Randalierer werden zu Haftstrafen verurteilt. Das Parlament hält eine Sondersitzung ab, der Premier gerät unter Druck.

Nach vier Krawallnächten hat es in Großbritannien in der Nacht auf Donnerstag erstmals keine größeren Zwischenfälle gegeben. In London, Manchester oder Birmingham herrschte gespannte Ruhe. Dafür sorgte ein Großaufgebot von Sicherheitskräften, allein in London waren 16.000 Beamte im Einsatz.

Bis Mittwochabend waren landesweit mehr als 1300 mutmaßliche Randalierer und Plünderer festgenommen worden. Gerichte arbeiten derzeit rund um die Uhr.

Fast 300 mutmaßliche Täter wurden bereits angeklagt. Die ersten wurden am Mittwoch zu Haftstrafen verurteilt. Zwei Männer, die an Ausschreitungen in Manchester beteiligt waren, müssen für 10 beziehungsweise 16 Wochen hinter Gitter. Viele weitere Beteiligte würden folgen, hieß es. Die Gerichte legen Sonderschichten ein.

Mahnwache in Birmingham

In Birmingham gedachten Hunderte bei einer Mahnwache der drei jungen Männer aus muslimischen Einwandererfamilien, die in der Nacht auf Mittwoch von einem Auto überfahren und getötet worden waren. Die Männer im Alter von 21, 30 und 31 Jahren gehörten nach Schilderungen von Augenzeugen zu einer Gruppe, die Geschäfte ihrer Wohngegend vor Plündererbanden schützen wollte.

Der Vater eines der Opfer trug mit einem Appell, keine Vergeltung zu üben, maßgeblich dazu bei, dass es auch in Birmingham trotz der dort weiterhin angespannten Lage keinen neuen Gewaltausbruch gab.

Der britische Premierminister David Cameron besuchte die Stadt am frühen Abend und sprach den Hinterbliebenen der Opfer sein Beileid aus. Erneut kündigte er eine harte Hand der Polizei an. "Die meisten Leute, die wir sehen, sind keine Demonstranten. Es sind Plünderer, Diebe und Räuber - sie begehen Straftaten", sagte er. "Sie müssen festgenommen, verurteilt und eingesperrt werden."

Sondersitzung im Parlament

Der politische Druck auf Cameron wächst. Vor einer Sondersitzung des Parlaments und einer Beratung des Krisenkabinetts am Donnerstag forderten Politiker der Opposition und auch des Regierungslagers, bereits beschlossene Sparmaßnahmen bei der Polizei zurückzunehmen. Cameron verurteilte vor dem Parlament dann die Krawalle erneut aus das Schärfste. "Es gibt dafür absolut keine Entschuldigung", sagte er. Es gehe den Randalierern nicht um Protest oder politische Aussagen. "Es geht ihnen um Diebstahl", sagte er.Bürgermeister verteidigt Polizei

Londons Bürgermeister Boris Johnson hat am Donnerstag den Einsatz der Polizei gegen die Randalierer verteidigt. Die Polizei habe "großartige Arbeit" geleistet. Er kündigte an, dass Unruhestifter weiterhin mit harten Maßnahmen zu rechnen hätten. "Da draußen gibt es Leute, die dieser Stadt nicht gut tun. Sie werden weiterhin die volle Kraft des Gesetzes zu spüren bekommen." Die Polizei war in die Kritik geraten, weil sie bei den Krawallen und Plünderungen in mehreren Londoner Stadtteilen teilweise nicht schnell genug reagiert haben soll. Der Londoner Polizeichef Tim Godwin betonte, jede Anschuldigung, dass seine Beamten sich zu sehr zurückgehalten hätten, sei falsch. Die Polizei habe sich "noch nie dagewesener Gewalt und Kriminalität und Plünderungen" gegenübergesehen. Das Land solle stolz darauf sein, dass es trotz aller Tragödien nicht noch mehr Verletzte und Todesopfer gegeben habe. Das sei seiner Ansicht nach in keinem anderen Land der Welt so möglich. Online-Petition bricht zusammen

Eine Online-Petition in Großbritannien, die fordert, Randalierern die Sozialhilfe zu entziehen, erwies sich unterdessen als so beliebt, dass ihre Webseite zusammenbrach. Bis dahin hatten bereits 78.000 Menschen die Petition unterschrieben.

Bei 100.000 Unterschriften sollte sie dem Parlament zur Beratung vorgelegt werden. Ihr Text lautet: "Kein Steuerzahler soll für jene zahlen müssen, die Eigentum zerstört, von der Gemeinde gestohlen und keinen Respekt gegenüber dem Land gezeigt haben, das für sie sorgt."

Islamisten rufen zum Heiligen Krieg auf

Unterdessen versuchen Islamisten offenbar, Vorteile aus den Krawallen zu ziehen. Auf mehreren Internetforen, auf denen zum Heiligen Krieg aufgerufen wird, wird unter anderem gefordert, feindliche Botschaften gegen die britische Regierung zu verbreiten, wie das auf die Überwachung islamistischer Webseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE am Mittwoch mitteilte.

Dienste wie Facebook oder Twitter sollten "infiltriert" werden, um zur Fortsetzung der Randale aufzurufen und damit eine Protestbewegung wie in der arabischen Welt entstehen zu lassen. In einer Botschaft heißt es demnach zudem, der Moment sei günstig, neue Anhänger für den Jihad zu rekrutieren.

(APA)

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