Strauss-Kahn: Ende einer Affäre und Karriere

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Nach Einstellung des Vergewaltigungsverfahrens gegen den früheren IWF-Chef Strauss-Kahn glaubt keiner seiner Parteifreunde an ein rasches politisches Comeback. Vor seiner Verhaftung galt er als klarer Favorit.

Paris/New york/R.b./Ag. Vor zehn Wochen war er noch einer der einflussreichsten Menschen der Finanzwelt und der Hoffnungsträger der französischen Sozialisten. Heute ist der Ruf des früheren Chefs des Internationalen Währungsfonds (IWF) zwar schwer beschädigt, ein Gerichtsverfahren in New York bleibt Dominique Strauss-Kahn aber erspart.

Seine französischen Parteifreunde haben erleichtert auf die Einstellung der Ermittlungen wegen versuchter Vergewaltigung der Hotelangestellten Nafissatou Diallo reagiert. Das Zimmermädchen und ihr Anwalt wurden in der Nacht auf Dienstag von der New Yorker Staatsanwaltschaft davon in Kenntnis gesetzt.

In Stellungnahmen der Parteileitung der französischen Sozialisten, deren größte Hoffnung DSK einst war, wird unterstrichen, wie froh die Genossen über diesen Ausgang der moralisch und politisch höchst peinlichen Affäre vor allem für dessen Gattin, Anne Sinclair, und Familie seien. Selbst der Sprecher der konservativen Regierungspartei, Jean-François Copé, sagte, er sei „glücklich für DSK“.

Wie er rechnet in Frankreich hingegen niemand mehr mit einem schnellen Comeback von DSK in die Politik und schon gar nicht mit seiner Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen von 2012, für die er bis zum Tag seiner Verhaftung Mitte Mai als klarer Favorit gegolten hatte. So klar spricht das aber keiner seiner Parteifreunde aus.

Entlassen, aber nicht entlastet

Aufgrund des Verfahrensstopps wird nun in einem Prozess nie die Wahrheit darüber ans Tageslicht gelangen, was Mitte Mai in jener Suite in einem New Yorker Hotel tatsächlich geschah. Diese weiter bestehende Verlegenheit lässt sich heute zwischen den Zeilen der Berichterstattung in den französischen Medien herauslesen.

Vermutlich wird man nie erfahren, was an den Anschuldigungen gegen den 62-Jährigen Gerücht und was Faktum war. Es bleibt im Bereich der Spekulationen und Mutmaßungen, ob es wirklich materielle Beweise gegen Strauss-Kahn gab, wie zum Beispiel das mehrfach erwähnte ärztliche Gutachten, das angeblich Spuren einer Vergewaltigung bescheinigen soll.

Die Staatsanwaltschaft erklärte in ihrer Begründung, Diallo habe durch zahlreiche Lügen ihre Glaubwürdigkeit verloren. Damit sei eine Einstellung des Verfahrens fast unvermeidlich geworden. Ist der Brief, in dem der New Yorker Staatsanwalt Cyrus Vance seinen Entschluss ankündigt, aber auch gleich ein Persilschein für den Ex-Angeklagten?

>>> Begründung des Staatsanwaltes

In einigen Berichten wurde DSK in Frankreich sogleich als „weißgewaschen“ präsentiert. Korrekter wäre es wohl zu sagen, er wird mit Verdacht entlassen, weil ein amerikanischer Staatsanwalt anscheinend nicht seine Karriere mit einem derart unsicheren Ausgang einer Gerichtsverhandlung vor Geschworenen riskieren wollte. Zudem hatten Strauss-Kahns Anwälte, Benjamin Brafman und William W. Taylor, offen auf die Verteidigungsstrategie gesetzt, das Opfer unglaubwürdig zu machen. In Frankreich wurde die Einstellung der Ermittlungen auch durch die so ganz anders funktionierende US-Justiz erklärt.

In seinem Heimatland werden die Ermittlungen gegen DSK aber nicht so rasch eingestellt: Im Zuge der juristischen Wende von New York wurde das am Montag etwas vorschnell gemeldet. In Paris wird nämlich nach einer Klage wegen eines angeblichen Vergewaltigungsversuchs vor acht Jahren gegen den 62-Jährigen ermittelt. Auf Anfrage teilte die Pariser Staatsanwaltschaft mit, die polizeiliche Voruntersuchung mit Anhörung von Zeugen werde fortgesetzt.

Kommt nun Befragung in Paris?

Vermutlich möchten die französischen Ermittler Strauss-Kahn selber nach seiner Rückkehr aus New York befragen. Die Anschuldigungen der Schriftstellerin Tristane Banon – sie sagt, DSK hätte sie während eines Interviews sexuell belästigt – hat er zurückgewiesen und eine Klage wegen Verleumdung eingereicht.

Auf einen Blick

Die New Yorker Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren wegen Vergewaltigung gegen Dominique Strauss-Kahn in der Nacht auf Dienstag ein. Die Begründung: Die Beweise würden nicht ausreichen, um den früheren IWF-Chef vor Gericht stellen zu können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2011)

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