Feld: "Für Sanktionen sind die Finanzmärkte da"

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Der deutsche Wirtschaftsweise Lars Feld fordert einen 50-prozentigen Haircut für Griechenland. Dass die Märkte Länder wie Italien bestrafen, findet er gut. Von einer EU-Wirtschaftsregierung hält er wenig.

Die Presse: Als Wirtschaftsweiser erstellen Sie Gutachten für die deutsche Bundesregierung. Hat Kanzlerin Merkel in der Eurokrise sträflicherweise den Rat der Ökonomen ignoriert?
Lars Feld: Naja, das kann man so nicht sagen. Allerdings bin ich mir durchaus darüber im Klaren, dass Merkel eben auf Mehrheitsverhältnisse im Europäischen Rat Rücksicht nehmen muss. Sie hört die Kritik der Ökonomen und würde zum Teil auch gerne anders handeln. Aber das geht eben nicht immer.

Ich nehme an, Sie sprechen die Hilfspakete für Griechenland an. Merkel hat sich stets dagegen ausgesprochen, ehe sie dann eingeknickt ist.
Ja, sie wünscht sich wohl ebenfalls eine größere Beteiligung privater Gläubiger. Das wäre ein wichtiger Schritt weg von einer Transferunion. Ich bin übrigens nach wie vor - im negativen Sinne - schwer beeindruckt von der Griechenland-Problematik.

Aus welchen Gründen?
Im Unterschied zu allen anderen Ländern, über die momentan diskutiert wird, ist in Griechenland klar, dass es das Land so nicht schaffen wird. Das Beschlossene reicht nicht aus. Die Konsolidierungsmaßnahmen und die Hilfspakete werden Griechenland nicht retten. Ein ordentlicher Schuldenschnitt ist unvermeidlich.

Die OECD bescheinigt in ihrem aktuellen Länderreport Griechenland eine gute Zukunft, wenn ordentlich gespart wird und die Wirtschaft wieder anspringt.
Daran glaube ich nicht. Das zuletzt beschlossene Hilfspaket bringt ein wenig Zeit, das stimmt. Berücksichtigt man die freiwillige Beteiligung privater Gläubiger in Form von längeren Laufzeiten, die für die Schulden gewährt werden, reduziert sich die Last in etwa um 20 Prozent. Das ist zu wenig. Mit den beschlossenen Konsolidierungsmaßnahmen wird das nicht zu stemmen sein. Ein Haircut von 50 Prozent ist nötig, und wir sollten ihn relativ bald beschließen.

Hätte das nicht eine veritable Bankenkrise in Europa zur Folge?
Nein. Französische und deutsche Banken sind mittlerweile gut genug aufgestellt, um eine derartige Umschuldung zu verkraften. Einzig der griechische Bankensektor müsste gerettet werden. Dafür wären zirka 20 Mrd. Euro notwendig, die aus dem Rettungsschirm EFSF kommen könnten.

Nicht ganz so einfach wäre Italien zu retten, sollte das Land die Sparmaßnahmen nicht durchziehen und auf die Insolvenz zusteuern.
Das stimmt, allerdings steht Italien bei Weitem nicht so schlecht da wie Griechenland. Die größeren Mitglieder der Eurozone, also vor allem Spanien und Italien, können ihre Schuldenprobleme aus eigener Kraft lösen. Sie haben hinreichende Spielräume zur Haushaltskonsolidierung und für Strukturreformen.

Um ein Zerbrechen der Eurozone zu vermeiden, fordern Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy verfassungsmäßige Schuldenbremsen sowie eine europäische Wirtschaftsregierung. Sind das gute Ideen?
Ich bin ein großer Fan von Schuldenbremsen. Es wäre gut, würden alle Euroländer so wie Deutschland eine Schuldengrenze einführen. Viel verspreche ich mir zur Lösung der aktuellen Krise kurzfristig davon aber nicht.

Warum?
Eine Schuldenbremse verhindert den Aufwuchs der Staatsverschuldung. Wenn es aber so wie derzeit in mehreren Ländern notwendig ist, akut und massiv zu sparen, reicht eine Schuldengrenze alleine nicht. Da müssen wesentlich weitergehende wirtschaftspolitische Entscheidungen her.

Zum Beispiel eine europäische Wirtschaftsregierung?
Das sehe ich sehr kritisch. Der deutsch-französische Vorschlag will Kompetenzen in die EU verlagern, die zu den Kernkompetenzen des nationalen Rechts gehören. Wir sprechen da vom Königsrecht des Parlaments (wonach in Deutschland, wie auch in Österreich, das nationale Parlament den Haushalt absegnen muss, Anm.). Es darf nicht sein, dass wir das durch Beschlüsse von Eliten abschaffen, möglicherweise gar nur durch einen deutsch-französischen Beschluss. Das sind Entscheidungen, die politisch breit abgestützt sein müssen.

Es sind auch Entscheidungen, die das Subsidiaritätsprinzip verletzten, wonach fiskalpolitische Aufgaben weitgehend von den Mitgliedsländern zu erledigen sind. Erforderte die Einführung einer Wirtschaftsregierung Volksabstimmungen in den Euroländern?
Ganz eindeutig ja. Bei solch massiven Verfassungsänderungen müssen jene befragt werden, die das souveräne Staatsvolk ausmachen. Das ist nicht lediglich das Parlament, sondern das Volk. Volksabstimmungen wären zwingend, um eine europäische Wirtschaftsregierung zu beschließen.

Sie sind ziemlich unglücklich mit den Vorschlägen von Merkel und Sarkozy. Was sollte Europas Elite denn tun?
Wir müssen zurückfinden zu den tragenden Pfeilern der Währungsunion, die wir im Vertrag von Maastricht beschlossen haben. Das bedeutet Vergemeinschaftung der Geldpolitik bei gleichzeitiger nationaler Autonomie in der Finanz- und Wirtschaftspolitik.

Nicht nur Griechenland hat eindrucksvoll bewiesen, dass man dazu nicht fähig ist. Deutschland hat ebenso wie Österreich den Vertrag von Maastricht gebrochen, wonach die Staatsschuld 60 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht übersteigen darf.
Das schon. Autonomie bedeutet eben auch Verantwortung, das müssen wir uns wieder klar machen. Wer Verträge bricht, muss dafür bezahlen. Der Zeitpunkt für hoch verschuldete Staaten ist gekommen, entsprechende Anpassungen im Staatshaushalt durchzuführen. Diese schmerzhaften Korrekturen weiterhin zu verhindern oder auch nur zu erleichtern, das rüttelt an den Grundpfeilern der Währungsunion.

Wie sollen die Staaten dazu angehalten werden? Welche Sanktionsmaßnahmen stehen zur Verfügung?
Dafür sind vor allem die Finanzmärkte da. Sie müssen entsprechend sanktionieren dürfen. Man nimmt den Märkten diese Option durch eine Vergemeinschaftung der Fiskalpolitik. Wir haben zwischenzeitlich vergessen, dass es eben Unterschiede zwischen den Ländern gibt. Das muss sich auch in unterschiedlichen Zinssätzen zeigen dürfen. Diese Sanktionsmechanismen müssen bis zur Insolvenz führen können, sonst führt man sämtliche Prinzipien ad absurdum.

Euroländer sollen bankrott gehen dürfen?
Ja, natürlich. Ich fordere schon lange eine Insolvenzordnung. Der (ab 2013 permanente Rettungsschirm, Anm.) ESM ist ein Schritt in die richtige Richtung. Länder sollen grundsätzlich in Insolvenz gehen können. Um dann Liquiditätsengpässe zu vermeiden, steht ein permanenter Rettungsschirm zur Verfügung, der von der Gemeinschaft getragen wird. Er stellt aber nur Liquidität zur Verfügung und fängt ein insolventes Land nicht auf.

Müsste sich die Politik zurücknehmen und die Eurokrise den Finanzmärkten überlassen?
Ganz auf die Finanzmärkte sollten wir uns nicht verlassen. Dass das nicht immer funktioniert, haben wir 2008 gesehen. Die Politik muss die Rahmenbedingungen vorgeben, etwa indem sie auf eine ordentliche Kapitalausstattung der Banken besteht. Aber eines ist schon klar: Was wir momentan an den Finanzmärkten sehen, ist auch sehr wohltuend. Das korrigiert die schlechte nationale Haushaltspolitik. Sehen Sie sich nur an, wie schnell Italien reagiert hat, als die Finanzmärkte das Land abgestraft haben. Da hatten die Märkte genau die heilende Wirkung, die wir uns stets erhoffen.

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