Kurz: „Eingangsphasen für jedes Studium“

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Sebastian Kurz ist gegen Numerus clausus und Migrantenquote, aber für die Wehrpflicht. Im Arbeitsmarktservice soll künftig neben der Staatsbürgerschaft auch den Migrationshintergrund erfasst.

Die Presse: Tina Tauß, Chefin der Jungen Generation bei der SPÖ, will Migranten bei gleicher Qualifikation im Staatsdienst bevorzugen. Sie auch?

Sebastian Kurz: Nein, ich halte nichts von einer Migrantenquote, das wäre leistungsfeindlich. Im Integrationsbereich geht es auch um Wertschätzung, und die wird man nie durch eine Quote erzwingen können. Es braucht ein Klima, in dem Leistung erbracht und angenommen wird, das muss man fordern und fördern.

Und wie? Zurzeit ist jeder fünfte Migrant arbeitslos.

Es wird ein Migrantenindex kommen. Sozialminister Hundstorfer will bis Jahresende ein Gesetz vorbereiten, damit das Arbeitsmarktservice künftig neben der Staatsbürgerschaft auch den Migrationshintergrund erfasst. Die ÖVP wird dem zustimmen. Dann kann das AMS gezieltere Angebote setzen.

Apropos Förderung: Wann kommt das verpflichtende zweite Kindergartenjahr? Und wer soll das bezahlen?

Ich habe ja schon gesagt, das ist eine Vision von mir, die sehr sinnvoll ist, aber eine Vorlaufzeit braucht. Ich wäre sehr zufrieden, wenn es in den nächsten Jahren käme. Zahlen müssten Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam.

In den nächsten Jahren – heißt das, noch in dieser Regierungsperiode?

Das würde mich freuen. Ich weiß aber auch, dass wir beim ersten verpflichtenden Kindergartenjahr drei Jahre von der Idee bis zur Umsetzung gebraucht haben. Und Ähnliches erwarte ich auch jetzt.

SPÖ und ÖVP können sich vorstellen, die Pensionen um 2,7 Prozent zu erhöhen. Sind Sie als Junge-ÖVP-Chef da nicht in einem Gewissenskonflikt?

Solange die Frühpension nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist, sollten wir auch über weniger als 2,7Prozent Inflationsanpassung reden. Aber je nachdem, ob es um große oder um kleine Pensionen geht.

Was sagen Sie zu einem Numerus clausus in Österreich, den Landeshauptmann Platter vorgeschlagen hat?

Ich halte ein anderes System für sinnvoll. Denn oft sind andere Kriterien als die Schulnoten entscheidend für den Studienerfolg. Die kann man besser in Studieneingangsphasen austesten.

Wollen Sie solche Phasen für alle Studienrichtungen? Und lieber vor dem Studium oder im ersten Semester?

Solche Phasen wären in jedem Studium sinnvoll, damit der Student selbst rasch merkt, ob er es schaffen kann. Wann sie stattfinden, soll individuell je nach Studienrichtung entschieden werden.

Bildung, Pensionen oder auch die Wehrpflicht: In der Regierung gibt es Reformstau. Wie erklären Sie sich das?

Also im Bereich Integration gibt es viele positive Entwicklungen. Dass es bei der Wehrpflicht nicht der Wunsch des Verteidigungsministers ist, schnell etwas voranzutreiben, kann ich nicht verstehen. Ich halte es für unverantwortlich, junge Menschen sechs Monate einen Dienst tun zu lassen, bei dem sie sehr wenig lernen. Ich dränge auf einen Grundwehrdienst, bei dem man etwas fürs Leben mitnimmt.

Die Erneuerung der ÖVP, die Ihr Parteichef angekündigt hat, ist offenbar noch nicht in der Bevölkerung angekommen: In Umfragen liegt die ÖVP mit rund 25 Prozent zum Teil auf Platz drei. Was fordern Sie als Junger?

Dass nicht auf Umfragen geschielt wird. Nach einigen Herausforderungen hat sich die ÖVP mit Michael Spindelegger stabilisiert. Ich bin froh, wenn die ÖVP sich als Partei auszeichnet, die Politik anhand von Überzeugungen und nicht von Umfragen macht.

Ihr Staatssekretärskollege Wolfgang Waldner hat sein Amtsverständnis so erklärt, dass er lieber im Hintergrund und als Vertreter des Ministers arbeitet. Bei Ihnen ist das Gegenteil der Fall: Sie sind ungleich präsenter, stellen laufend Konzepte vor. Kritiker sprechen schon von Ankündigungspolitik.

Ich bin jung und habe immer viele politische Ideen gehabt. Es wäre doch falsch, wenn man nur Dinge aussprechen darf, die man sofort umsetzen kann. Das würde zu einer sehr kurzsichtigen und manchmal auch stumpfsinnigen Politik führen. Ich habe Projekte, die kurz-, mittel- und langfristig umzusetzen sind. Zudem ist Integration Querschnittsmaterie, ich bin auch auf die Regierungskollegen angewiesen. Ich glaube außerdem nicht, dass wir in der österreichischen Politik einen Überschuss an Visionen und Ideen haben.

Zur Person

Sebastian Kurz, 24, ist seit 21.April Österreichs erster Staatssekretär für Integration im ÖVP-Innenministerium. Sein Jusstudium legte er still. Seit 2009 ist Kurz Bundeschef der Jungen ÖVP und auch Vize-Parteiobmann in Wien. 2010 zog er als Listendritter in den Gemeinderat ein. Morgen, Samstag, wird er 25Jahre alt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2011)

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