Fans vor Gericht

Wenn ab morgen 86 Rapid-Fans vor Gericht stehen, dann sitzen mit ihnen auch der österreichische Fußball, die Klubs und Verbände auf der Anklagebank. Wer Millionen an Steuergeldern kassiert, trägt nämlich auch gesellschaftliche Verantwortung über seine eigenen vierStadionwände hinaus.

Jahrelang war der österreichische Fußball angeblich eine Insel der Seligen. Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit waren in den Stadien kein Thema, und nur eine Handvoll unbelehrbarer Fans stand auf der schwarzen Liste – hatte Stadionverbot. Wenn von Randale berichtet wurde, dann fand diese im Ausland statt. In England, Ostdeutschland oder Italien. Und als Österreich 2008 die Euro austrug, konnte sich die ganze Welt von der sprichwörtlichen Gemütlichkeit der Österreicher ein Bild machen. Nicht nur von den elf Österreichern auf dem Rasen, sondern überall. Es gab kaum Gewalt. Ein Fest des Friedens.

Spätestens nach dem Platzsturm aufgebrachter Rapid-Fans im Mai dieses Jahres im Hanappi-Stadion ist die Idylle im österreichischen Fußball zu Ende. Die Bilder prägten sich ein – vor allem bei jenen, denen der Fußball und Fußballfans ohnehin schon immer suspekt waren. Und dass ab morgen 86 Rapid-Fans der Prozess gemacht wird, wird dem Ansehen des Fußballs einen weiteren Dämpfer versetzen.

Schuld an der Misere sind in erster Linie jene Leute, die sich vor Gericht verantworten müssen. Auch wenn viele wie die Lemminge ihren Rädelsführern gefolgt sind, am Ende hat jeder für sich selbst entschieden, am Ende hat jeder selbst den Schritt Richtung Gewalt gesetzt.

Und trotzdem können sich Vereine und Verbände nicht abputzen. Sie sitzen im übertragenen Sinn mit auf der Anklagebank. Denn so friedlich, wie sie es gern dargestellt hatten, waren die österreichischen Fußballfans nie. Gewalt war immer mit im Spiel. Nicht in den Stadien. Aber draußen lieferten und liefern sich rivalisierende Fans organisierte Kämpfe, werden bei Auswärtsspielen Eisenbahnwaggons und Autobahnraststätten verwüstet, fliegen auf gut Wienerisch die Fetzen.

Wenn ein Klub seine Fans ernst und seine Verantwortung wahrnimmt, muss er auch unangenehme Dinge ansprechen. Das ist nicht oder zu wenig geschehen. Als vor zwei Jahren 200Rapidler den Westbahnhof als Kampfring auserkoren hatten, ernteten sie vom Klub sogar Verständnis. Ihnen wurde juristischer Beistand gewährt. Wer Gewalt hinter vorgehaltener Hand toleriert, darf sich nicht wundern, wenn sie zu ihm nach Hause kommt. Mittlerweile geht Rapid gegen die Platzstürmer, gegen die eigenen Fans, juristisch vor. Klar ist: Weder Verharmlosung noch Nulltoleranz werden das Problem lösen.

gerhard.hofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2011)

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