Das Peter-Prinzip gilt nicht nur für Einzelpersonen

Dass Politiker sich ihre Werbung von öffentlichen Unternehmen bezahlen lassen, ist unter Berücksichtigung durchschnittlicher Anstandskriterien ein Rücktrittsgrund.

Frage: Wo ist eigentlich das Problem, wenn der Eigentümervertreter eines Unternehmens den Vorständen dieses Unternehmens sagt, wo und wie sie werben sollen? Antwort: Das Problem ist, dass es sich erstens um eine Aktiengesellschaft handelt, deren Vorstände per Gesetz weisungsfrei sind, und dass es sich um einen Monopolbetrieb handelt, der bis dahin aus guten Gründen keine Werbung gemacht hat.

Nicht einmal Till Eulenspiegel könnte einem einreden, dass die Erfüllung der gesetzlichen Vignettenpflicht für Autobahnen, die dem Staat dringend notwendige Einnahmen für die Aufrechterhaltung der Verkehrsinfrastruktur bringen soll, werbliche Unterstützung durch teure Inserate der ohnehin aus Geldern der Steuerzahler finanzierten Autobahngesellschaft Asfinag braucht. Das wäre ein wenig so, als würde die Justizministerin Zeitungsanzeigen schalten lassen, in denen dafür geworben wird, bei der Austragung von Nachbarschaftsstreitereien auf die Benutzung von Faustfeuerwaffen zu verzichten.

Werbung brauchte nur der Eigentümervertreter der Asfinag, und er hat sie sich auch besorgt. Dass die Vorstände, die er dabei umging, zum Teil politische Versorgungsfälle der anderen Reichshälfte waren, ist wohl richtig. Das kann allerdings in einem Rechtsstaat bei der Beantwortung der Frage, ob der heutige Bundeskanzler Werner Faymann in seiner damaligen Funktion als Infrastrukturminister gesetzeskonform agiert hat oder nicht, keine Rolle spielen. Auch die Frage, in welchen der für das Amt eines Ministers für Verkehr, Infrastruktur und Technologieentwicklung relevanten Kompetenzfelder Werner Faymann die bessere Ausbildung als Matthias Reichhold hat, hat die Staatsanwaltschaft nicht zu interessieren.

Neben der Klärung offener Rechtsfragen geht es natürlich auch um die politische Einschätzung dessen, wofür die „Inseratenaffären“ bei ÖBB und Asfinag stehen. Auch hier muss man differenzieren: Darüber, ob, in welchem Ausmaß und nach welchen Verteilungskriterien Ministerien und andere öffentliche Stellen Geld für bezahlte Kommunikation ausgeben, kann man unterschiedlicher Ansicht sein. Dass Politiker die Rechnung für ihre– in den meisten Fällen ziemlich personenbezogene – Werbung von öffentlichen Unternehmen begleichen lassen und das dann wider besseres Wissen und trotz der Existenz von Gegenbeweisen leugnen, ist, wenn man durchschnittliche Anstandskriterien anlegt, ein Rücktrittsgrund. Noch versuchen die Hilfskräfte des Kanzlers, das Ganze als parteipolitische Verschwörung darzustellen, im Zuge derer es der ÖVP gelungen sei, „ihre“ Zeitungen mit Material zu versorgen und zu instrumentalisieren, um von den eigenen Problemen in der Telekom-Korruptionsaffäre abzulenken. Dazu kann man nur sagen: Wie der Schelm ist, so denkt er von anderen.

Ein Argument, das in der politischen Debatte über Faymann-Inserate und Telekom-Selbstbedienung oft ins Spiel gebracht wird, verdient allerdings zumindest eine genauere Betrachtung: dass es nämlich in dem einen Fall um ein „politisches System“ gehe, das möglicherweise nicht allen Kriterien von Transparenz entspricht, in dem anderen Fall aber um verabscheuungswürdige Fälle von persönlicher Bereicherung.

Ist das wirklich so? Wie kommt man eigentlich auf die Idee, dass die Jahres- oder gar Lebenseinkommen in jenen zahlreichen Unternehmen, die hauptsächlich durch In-sich-Geschäfte der Wiener SPÖ als Alleinherrscherin über die öffentlichen Gelder der Stadt Wien am Leben erhalten werden, keine persönliche Bereicherung sind? Unternehmen, die im Eigentum der Stadt stehen und zum Teil über De-facto-Monopole verfügen, inserieren ohne jede Unternehmensnotwendigkeit in Medien, die hauptsächlich der sozialdemokratischen Propaganda dienen. Oder sie finanzieren Veranstaltungen, für deren Organisation dann eben ein anderer Unternehmensteil des Echo-Medienhauses zuständig ist, das sich zum gut belegten sozialdemokratischen Job-Asylheim entwickelt hat.

Werner Faymann hat versucht, das System, das er als Wiener Wohnbaustadtrat zur Perfektion entwickelt hat, auf die nächste Ebene zu übertragen. Wie es aussieht, gilt das Peter-Prinzip nicht nur für Einzelpersonen. Auch Netzwerke neigen dazu, bis zu ihrer Stufe der Unfähigkeit aufzusteigen.

E-Mails an: michael.fleischhacker@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2011)

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